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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Giles
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gezischten Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Genau das hatte er bezweckt. Langsam kehrte die Farbe in Bonnies Wangen zurück.
    »Kein Mensch wird sterben«, sagte er dann.
    »Aber was können wir dagegen tun?«
    »Das weiß ich vorläufig noch nicht. Aber verlaß dich darauf, daß ich alles Nötige unternehmen werde.«
    Sie legte die Hand über ihre Augen und schüttelte den Kopf, als schwindelte ihr. »Eines steht fest: ich wollte morgen von hier abreisen, und jetzt kann mich erst recht nichts mehr daran hindern.«
    Zachary nickte. »Das wird wohl das Vernünftigste sein.«
    Als Bonnie schließlich die Bar verließ, war sie bedeutend ruhiger — oder bedeutend betrunkener. Talbot Grennis stützte sie fürsorglich. Schließlich war der Zufall gar nicht so überwältigend, daß sechs bestimmte Personen zur gleichen Zeit in Sanscoeurville waren, wenn man bedachte, daß zwei davon schon mehrmals zurückgekehrt waren und die dritte ständig hier lebte.
    Allerdings blieb es das dreizehnte Jahr .. . und gewisse Gelöbnisse hatten sie auch gemacht. . .
    Tal begleitete sie über den Parkplatz und half ihr in seinen Mercedes. Nun, zumindest durfte sie nicht noch behaupten, schutzlos zu sein. Sie lehnte den Kopf in die Polster, schloß die Augen und fühlte, wie sie in den Nebel und die Schwärze rollte.
    Warum war sie wirklich nach Sanscoeurville gekommen? Dutzende Male hatte sie sich geschworen, es nie zu tun, aber plötzlich hatte sie den übermächtigen Wunsch gehabt, ihren Geburtsort wieder zu sehen. Etwas hatte sie dazu veranlaßt... sie verlockt...
    Trotzdem lebte sie seit ihrer Ankunft in ständiger Furcht. Dreizehn Jahre waren verstrichen, und nun war sie beinahe gegen ihren Willen wieder da — sie und fünf andere auch. Sie hatten eine Rechnung zu begleichen . . .
    Ach was, dachte sie, und ihr Kopf rollte zur Seite, als sie um eine Kurve bogen. Mit geschlossenen Augen verlor sie allmählich das Gefühl, im Auto zu fahren. Sie wurde einfach geschaukelt. . . sie schwebte . . .
    Schließlich schlug sie die Augen auf und hob den Kopf. Im ersten Augenblick glaubte sie, erblindet zu sein.
    »Wo sind wir?«
    »Erkennst du die Straße nicht?«
    »Ich sehe überhaupt nichts, Tal. Es ist stockfinster.«
    »Schau nach rechts.« Sie kurbelte das rechte Seitenfenster auf. Trotzdem erkannte sie im Nebel nichts als ein paar Bäume, Buschwerk und ein Stück Zaun.
    »Es ist zu finster, zu nebelig«, sagte sie.
    »Mit entsprechend scharfen Augen könntest du trotz des Nebels sehen. Und vielleicht das alte Stammhaus der Sanscoeurs erkennen.»
    Verblüfft wandte sie sich zu ihm. Sanscoeur lag weitab von ihrer Strecke.
    »Warum fährst du hier vorbei?«
    Er antwortete nicht. Sie hatte den Eindruck, daß er lächelte. Im gleichen Augenblick fiel ihr etwas Sonderbares auf, was sie in nüchternem Zustand wohl sofort bemerkt hätte: eigentlich hätte sie  sehen  müssen, daß er lächelte, aber das Armaturenbrett war unbeleuchtet.
    Sie spähte durch die Windschutzscheibe. Vor ihnen lag tiefe Finsternis. Talbot Grennis fuhr bei Nebel ohne Scheinwerfer.
    »Tal, du hast kein Licht!«
    »Ich brauche keines. Diese Strecke könnte ich blind fahren.« Er lachte leise. »Genaugenommen tue ich es auch, nicht wahr?«
    »Aber warum?«
    Wieder blieb er ihr die Antwort schuldig.
    Und dann begriff sie.
    Auch nach dreizehn Jahren war sie für ihn dieselbe wie früher: ein leichtes Mädchen. Bestimmt erinnerte er sich noch genau an ihren fragwürdigen Ruf in der Schule. Trotzdem lud er sie weder zu sich nach Hause ein, noch versuchte er es mit ihrem Hotelzimmer, denn dort hätte sie ihm vielleicht Schwierigkeiten gemacht. Statt dessen fuhr er einfach langsam durch den Nebel, der jedes Geräusch verschluckte, auf einer Landstraße dahin, die wahrscheinlich auch tagsüber ziemlich verlassen war. Überraschungen hatte er hier kaum zu befürchten. Und obendrein rechnete er mit einem gewissen psychologischen Übergewicht. Schließlich reiste sie allein und ohne Schutz, während er ein Mann und noch dazu der örtliche Hüter des Gesetzes war. Er war Sheriff.
    »So, Tal«, sagte sie ärgerlich. »Jetzt schaltest du die Scheinwerfer ein und bringst mich in mein Hotel.«
    »Okay.«
    »Auf der Stelle!«
    Er lenkte den Wagen nach rechts. Sie konnte nicht unterscheiden, ob sie noch auf der Straße oder über einen schmalen Weg fuhren. Zweige streiften das Wagendach, das Fahrzeug schaukelte. Talbot Grennis schwenkte nach links und hielt an.’
    »Du scheinst nicht

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