Nacht der Vampire
begriffen zu haben, Tal.«
»Dann klär mich doch auf«, sagte er und stellte den Motor ab.
Sie behielt die Nerven. Sorgfältig wählte sie ihre Worte: »Dreizehn Jahre können eine Frau verändern. Und wenn sie sich geändert hat, dann führen auch die alten Methoden nicht mehr zum Ziel. Kannst du mir folgen?«
»Keine Ahnung, wovon du sprichst, Bonnie, Herzchen.«
»Dann will ich’s mal anders formulieren. Du und ich sind Leute, die bekommen, was sie haben wollen. Aber wir dürfen nicht einfach brutal fordern. Selbst ich kann mir das nicht leisten, und dabei bin ich eine sehr reiche Frau.« Sie hatte den Eindruck, daß er sie nicht verstehen wollte. Unwillkürlich wurde ihre Stimme schärfer. »Bei meinem Vermögen kann ich mir jedes Vergnügen kaufen -r und jedem anderen die größten Unannehmlichkeiten machen. Begreifst du, Tal!«
»Mir scheint, du willst mir drohen«, sagte Talbot Grennis schließlich, »aber das läßt mich völlig kalt.«
»Fahr mich nach Hause!«
»Du bist zu Hause, Bonnie«, sagte er leise. »Hier ist die Endstation.«
Er griff nach ihr.
Bisher hatte immer noch die Möglichkeit bestanden, daß sie nachgeben würde, und sei es nur, um den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen. Nun aber griff sie in plötzlich erwachter Angst nach der Klinke, stemmte sich gegen die Tür und kollerte aus dem Wagen. Sie spürte kaum, daß sie auf dem Boden aufschlug, obwohl ihr die Büsche das Gesicht zerkratzten. Etwas verfing sich in ihrem Kleid, und es zerriß. Sie kämpfte sich hoch und sah über die Schulter zurück in die Dunkelheit. Talbot Grennis war kaum zu erkennen, als er aus dem Wagen stieg.
.. . Hier ist die Endstation.
Hastig richtete sie sich auf. Aus Talbots Mund hatten die Worte wie eine unmißverständliche Drohung geklungen. Der Mann war offenbar verrückt. Wenn sie nicht fliehen konnte .. .
Keuchend rannte sie in die pechschwarze Nacht. Jeder unsichtbare Baum, Busch oder Dorn versperrte ihr den Weg. Nasses Laub klatschte ihr ins Gesicht, tief hängende Zweige schlugen nach ihr. Er hatte ihre Verfolgung aufgenommen. Sie hastete wie ein lautloser Schrei durch den nebelverhangenen Wald.
Ihr Atem wurde kürzer, sie keuchte und vertrat sich beide Knöchel. Trotzdem hetzte sie weiter. Der Absatz ihres linken Schuhs brach ab. Sie fiel auf die Knie. Hinter ihr raschelte es im Gebüsch. Zweige brachen. Grennis kam näher.
Sie sprang auf. Humpelnd und stolpernd kämpfte sie sich durch das Dickicht. Längst hatte sie jedes Gefühl für die Richtung verloren. Es war ihr einerlei, wohin sie gelangte. Nur fort von Talbot Grennis. Ihre Füße trugen sie ganz von selbst weiter, als wüßten sie das Ziel.
Sie verlor den linken Schuh und stolperte, stürzte auf harte Steine, Wurzeln und nassen Boden. Sekundenlang blieb sie liegen, zu erschöpft, um auch nur den Kopf zu heben. Jeder Atemzug fuhr ihr in die Lunge.
Im Wald erklangen Talbot Grennis’ Schritte. Sie zwang sich aufzublicken. Funken tanzten vor ihren Augen. Allmählich klärte sich ihr Blick. Sie entdeckte, daß sie auf einer kleinen Lichtung lag. Sie fühlte, daß sie schleunigst von hier fort mußte. Taumelnd und zerschlagen richtete sie sich auf.
Neben ihr kicherte es.
Und schmatzte.
Die unerwarteten, deutlichen Laute lähmten sie. Geduckt blieb sie stehen und lauschte angestrengt in die Dunkelheit.
Talbot Grennis war nicht mehr zu hören. Dafür raschelte nur wenig von ihr entfernt etwas über den Boden.
Zuerst dachte sie, es sei eine Schlange. Doch dann nahm sie Umrisse in der Finsternis wahr. Eine Schlange war das bestimmt nicht. Soweit sie erkennen konnte, war es ein riesiges Insekt, das sich aufrappelte und aufrecht auf den Hinterbeinen stand.
Ein Rieseninsekt? Aber das war doch verrückt! Das Ding war unheimlich groß, beinahe halb so groß wie sie! Sie grub sich die Finger in die Wangen und wollte nicht glauben, was sie sah. In der Dunkelheit sah das Wesen wie ein kleiner Teufel im wallenden Umhang aus.
Dann sah sie die anderen — die sie umzingelten.
Sie wollte nach links flüchten. Sofort umfingen sie die Schwingen eines Geschöpfes, das vom Baum herabhing, und eine lange, nasse Zunge fuhr ihr übers Gesicht. Sie schrie auf, schlug nach dem Wesen und wich zurück. Wie ein Alptraum überschwemmte sie die Gewißheit, daß die ganze Welt wahnsinnig geworden sei und sie vernichten wolle. Was immer Talbot Grennis ihr angetan hätte — es wäre nicht halb so grauenhaft gewesen.
Talbot Grennis trat aus dem
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