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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Giles
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splitternden Unterholz auf die Lichtung. Aber es war nicht mehr jener Talbot, den sie gekannt hatte. Seine Gestalt schrumpfte vor ihren Augen zusammen. Mit langen Fingern, zwischen denen Flughäute wuchsen, riß er sich die Kleider vom Leibe. Und starrte sie aus kleinen Schweinsäuglein an, die zu beiden Seiten einer kurzen, pelzigen Tierschnauze saßen .. .
    Einmal noch schrie sie auf. Dann fielen sie über sie her.

5
    Die Sonne stieg auf wie ein weißglühender Hammer, der gleichmäßig auf Himmel und Erde schlug, bis sie zu beben schienen. Der Nebel zerstob. Um sieben Uhr zeigte das Thermometer bereits mehr als fünfundzwanzig Grad an, und die Quecksilbersäule kletterte stetig höher. Am Ostende des Sees drängten sich die Badegäste mit ihren Decken, Badetüchern und Sonnenschirmen im öffentlichen Strandbad.
    Im Westen heulten die Polizeisirenen.
    Auch Ward und Jeanne Douglas hörten sie. Sie hatten ein Sommerhäuschen am Nordhang über dem See gemietet. Beide wußten natürlich, daß Duffy Johnson seinen Urlaub in seinem Geburtsort verbringen wollte. Alle Bewohner Sanscoeurvilles, die sich dafür interessierten, hatten es erfahren. Und nicht nur das. Innerhalb einer Stunde waren sie auch bereits von seiner Ankunft unterrichtet. Alle wußten, daß er in Begleitung seiner Frau Roxanne Sanscoeur gekommen war, die im ganzen Umkreis nur das Wolfmädchen hieß.
    Ward hätte Duffy am liebsten sofort nach seinem Eintreffen angerufen oder aufgesucht. Jeanne hatte ihn nur mit Mühe davon abhalten können. Sie war eine unauffällige Erscheinung, in der man kaum eine begabte Anthropologin vermutet hätte, die ihren Beruf leidenschaftlich liebte und über erstaunliche Fachkenntnisse verfügte. Jeanne beobachtete die Badenden am Strand. Ward rief inzwischen Duffy an.
    »Er hat sich nicht nur über meinen Anruf gefreut, sondern wird gleich hier erscheinen. Auf eine Tasse Kaffee oder Eistee oder so etwas«, verkündete Ward erfreut, als er wieder auf die Veranda kam.
    »Samt seiner Frau, dem Wolfmädchen?«
    »Sie schläft angeblich noch. Und laß das Wort ›Wolfmädchen‹ nicht vor ihm fallen.«
    Ward Douglas hatte helles Haar, blaue Augen und eine etwas spöttische Stimme. Er war schlank und kaum größer als seine Frau. Seinen Beruf erriet man bedeutend eher als den seiner Frau: er war Soziologe.
    Zehn Minuten nach dem Telefonat war Duffy Johnson bereits da. Zu dritt saßen sie auf der kleinen Veranda, tranken Tee und schwatzten. Ganz von selbst glitten ihre Blicke immer wieder zu den Urlaubern am Strand, vor den anderen Sommerhäusern und auf den Fußwegen.
    »Es ist etwas Sonderbares eingetreten, Duff«, sagte Ward nach kurzem Schweigen. »Ich weiß gar nicht recht, ob ich es erwähnen soll.«
    »Wenn es wichtig ist, unbedingt.«
    »Das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht sind es die psychologischen Auswirkungen. Aber .. . Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich dich an den gotteslästerlichen Unfug erinnere, den wir uns zuschulden kommen ließen.«
    »Kindereien«, meinte Duffy.
    Ward nickte. Auch er maß der Sache keine gesteigerte Bedeutung bei.
    »Stimmt«, sagte er, »aber für einen Soziologen nicht uninteressant. Sanscoeur ist ein ausgezeichneter Nährboden für okkulte Betätigungen und hat damit die ganze Stadt angesteckt. Übrigens findest du in fast allen Kleinstadtbüchereien erstaunlich viele Bücher über Handlesekunst, Hexerei, das Übernatürliche, kurz den ganzen pseudowissenschaftlichen Hokuspokus. Die hiesige Bibliothek besitzt besonders viele Schriften über diese Themen, die sich bei den Einheimischen größter Beliebtheit erfreuen.«
    »Du meinst, wir waren die Opfer unserer Umwelt?« fragte Duffy spöttisch.
    Ward lachte. »Oder wir waren behext. Jeanne und ich haben jedenfalls die Absicht, der lokalen Vorliebe zum Übersinnlichen auf den Grund zu gehen. Mal sehen, zu welchen Resultaten ein tüchtiges Soziologen-Anthropologen-Gespann gelangt. Wir haben der alten Stadt schon mehrmals kurze Besuche abgestattet. Diesmal bleiben wir den ganzen Sommer.«
    »Na, dann viel Glück«, sagte Duffy zerstreut. Die Urlauber am Strand lenkten ihn ab.
    »Und jetzt kommt das Merkwürdige, Duffy. Natürlich wußten wir, daß Lily Bains nach wie vor hier lebt. Sie hat weder geheiratet, noch ist sie in eine andere Stadt gezogen, sondern leitet die hiesige Leihbibliothek. Schön. Aber weißt du, wer vor zwei Wochen erschienen ist? Zack Hale. Vor wenigen Tagen ist Bonnie Wallace unerwartet aufgekreuzt. Und jetzt

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