Nacht der Versuchung
Xavier … Sie wollten nur das Schlimmste von mir denken, haben es richtig genossen!”
“Ist Ihnen klar, welche Probleme dadurch entstehen?”, fragte er schroff.
“Was habe ich denn getan?” Mariella sah ihn verständnislos an. “Meine Schwester ist eine moderne junge Frau und führt das Leben einer modernen jungen Frau. Ihr größter Fehler war es meiner Meinung nach, sich in Ihren unseligen Cousin zu verlieben, aber Sie haben über sie geredet, als wäre sie …”
“Wollen Sie mir damit sagen, dass auch Sie eine moderne junge Frau sind und vorhaben, während Ihres Aufenthaltes hier in Zuran das Leben einer modernen jungen Frau zu führen?”, fiel Xavier ihr zornig ins Wort. “In dem Fall muss ich Ihnen leider sagen …” Er verstummte, weil ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, was der Prinz ihm für Referenzen vorgelegt hatte, als er zuvor in den Palast gestürmt war und auf einer sofortigen Audienz bestanden hatte. Mariella war nicht nur eine weltweit anerkannte Künstlerin, sondern, wie es schien, auch eine junge Frau von untadeliger moralischer Integrität.
“Das geht Sie nichts an”, sagte Mariella ärgerlich.
“Im Gegenteil, es geht mich sogar sehr viel an!”, widersprach er zu ihrem Erstaunen. “Wenn Fleur das Kind meines Cousins ist, ist sie Mitglied meiner Familie … was Sie als Fleurs Tante ebenfalls zu einem Mitglied meiner Familie macht. Als Familienoberhaupt bin ich für Sie beide verantwortlich. Ich kann Ihnen auf keinen Fall erlauben, hier in Zuran allein zu wohnen oder unbegleitet für den Prinzen zu arbeiten. Es ist meine Pflicht und liegt in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass der Stolz und die Ehre unserer Familie nicht gefährdet werden.”
“Wie bitte?”, fuhr Mariella empört auf. “Was reden Sie von Stolz und Ehre … ein Mann, der bereit war, mit der Mutter des Kindes seines Cousins ins Bett zu gehen, nur um sie vor eben diesem Cousin schlecht machen zu können! Sie haben mich beleidigt und verunglimpft … und nun haben Sie den Nerv, mir etwas von Stolz und Ehre zu erzählen! Und was Ihr angebliches Verantwortungsgefühl betrifft … Sie haben ja keine Ahnung, was Verantwortung wirklich bedeutet!”
Xavier presste die Lippen zusammen. “Die Situation hat sich eben geändert.”
“Ach ja? Weil Sie entdeckt haben, dass ich nicht ‘das bezahlte Flittchen’ Ihres Cousins bin, wie Sie es so schön ausgedrückt haben, sondern eine Karrierefrau?”
“Ich habe eine … Nachricht von Khalid erhalten, in der er bestätigt hat, dass er tatsächlich Fleurs Vater ist. Deshalb muss ich jetzt Fleurs Stellung bedenken … ihre Zukunft, ihren Ruf.”
“Ihren Ruf?” Mariella sah ihn fassungslos an. “Fleur ist erst vier Monate alt! Außerdem hat der Prinz bereits alles Nötige unternommen, um dem Klatsch Einhalt zu gebieten.”
“Ich komme soeben von Seiner Hoheit und habe ihn persönlich darüber informiert, dass Sie und Fleur für die Dauer Ihres Aufenthaltes in Zuran unter dem Schutz meines Hauses leben werden. Der Prinz ist natürlich ganz meiner Meinung.”
Mariella wollte ihren Ohren nicht trauen. “O nein!” Sie schüttelte heftig den Kopf. “Auf keinen Fall!”
“Mariella, bitte …”, bat er nun unerwartet freundlich. “Sehen Sie es auch als eine Möglichkeit der Wiedergutmachung für mich, indem ich Ihnen meine Gastfreundschaft anbiete. Außerdem haben Sie gar keine andere Wahl … der Prinz erwartet es.”
Sie betrachtete ihn nachdenklich. Er schien es wirklich ehrlich zu meinen.
“Ich werde hier warten, bis Sie alles gepackt haben, und Sie dann zu meinem Haus fahren. Meine verwitwete Großtante Madame Cecille Flavel wird für die Dauer Ihres Aufenthaltes in Zuran Ihre Anstandsdame sein.”
Ihre Anstandsdame? “Ich bin achtundzwanzig Jahre alt”, sagte sie pikiert. “Ich brauche keine Anstandsdame!”
“Sie sind eine alleinstehende Frau, die im Haus eines alleinstehenden Mannes wohnt. Nach der Berichterstattung in der Zeitung werden manche Leute sowieso schon an Ihrem Ruf zweifeln.”
Mariella gab es auf. Hoffentlich würde sie bald Tanya erreichen, um diese unerwarteten Komplikationen mit ihr zu besprechen. Augenblicklich wagte sie es nicht, sich Xavier offen zu widersetzen. Hier in Zuran hatte er so viel Macht und Einfluss, dass er ihr womöglich Fleur wegnehmen würde, wenn es ihm in den Sinn käme!
Sie brauchte keine halbe Stunde, um ihre und Fleurs Sachen zusammenzupacken. Xavier stand während der ganzen Zeit mit
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