Nacht der Versuchung
tat. Es war ja gut und richtig, dass Fleur jetzt bei ihren Eltern war, aber sie, Mariella, vermisste die Kleine sehr. Wem wollte sie etwas vormachen? Sie sehnte sich nach einem eigenen Baby!
Mariella saß an dem Marmorbrunnen in dem Gartenhof der Frauen und reckte die verspannten Glieder. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie wie besessen an dem Fries gearbeitet, sodass sie nun das Projekt viel früher als erwartet fertigstellen würde. Der Prinz war an diesem Nachmittag gekommen, um sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen, und hatte seine Begeisterung nicht verhehlen können.
Sie konnte also mehr als zufrieden sein … Zufrieden und zu erschöpft, um Abendbrot zu essen, dachte sie und rieb sich müde den schmerzenden Nacken. Und dann erstarrte sie unwillkürlich, als sie Xavier auf sich zukommen sah.
“Ich komme gerade von Seiner Hoheit”, sagte er. “Der Prinz wollte mir unbedingt deine Arbeit zeigen, von der er zutiefst beeindruckt ist. Zu Recht, wie ich meine. Sie ist großartig geworden.”
Dieses ungewöhnlich überschwängliche Lob erstaunte Mariella. Argwöhnisch blickte sie zu ihm auf.
“Hat sich deine Schwester schon bei dir gemeldet, um dich zu beruhigen, dass es Fleur gut geht?”, erkundigte sich Xavier nun.
Mariella schüttelte den Kopf und zuckte zusammen.
“Hast du Schmerzen?”, fragte Xavier sofort.
“Ach, ich bin ein bisschen verspannt, das ist alles”, wehrte sie ab.
“Verspannt? Hier im Nacken?” Ehe sie ihn daran hindern konnte, setzte er sich neben sie und begann mit sachkundiger, behutsamer Hand ihren Nacken zu massieren. “Halt still!”, sagte er, als sie unwillkürlich zurückwich. “Es wundert mich nicht, dass du so verspannt bist. Du arbeitest zu hart und verlangst dir viel zu viel ab. Du machst dir viel zu viel Sorgen um andere und lässt zu, dass sie dein Pflichtgefühl ausnutzen!”
Mariella drehte sich um und sah ihn an. “Das musst gerade du mir vorwerfen!”
Einen Moment lang blickten sie sich schweigend an. Mariella stellte fast ein wenig erstaunt fest, dass sie immer neue Seiten an Xavier entdeckte, die sie veranlassten, ihn inzwischen mit ganz anderen Augen zu sehen. Und Xavier gestand sich ein, dass er sich, was Mariella betraf, gründlich geirrt und sie höchst unfair behandelt hatte. Ihre Schwester dagegen war genau so, wie er es erwartet hatte … ganz der Typ Frau, auf den sein leichtlebiger Cousin flog. So gesehen, passten die beiden sehr gut zueinander, oder wenn man es zynisch ausdrücken wollte: Tanya und Khalid hatten sich in ihrer Selbstsüchtigkeit und Oberflächlichkeit gegenseitig verdient.
Ganz anders Mariella … er war noch nie einer Frau begegnet, die ihre Pflichten so ernst nahm und ihre Lieben derart bedingungslos beschützte. Wenn sie sich einmal für einen Mann entschied, würde sie sich ihm mit Leib und Seele hingeben. Ihre Liebe würde tief und leidenschaftlich und auf immer und ewig sein.
“Deine Schwester hätte sich längst bei dir melden sollen. Sie muss doch wissen, wie sehr du Fleur vermisst”, sagte er unvermittelt.
Sofort erwachte ihr Beschützerinstinkt. “Tanya ist Fleurs Mutter”, verteidigte sie ihre Schwester. “Sie schuldet mir … keine Berichte. Dieser Urlaub wird den dreien die Gelegenheit geben, sich als Familie zu finden. Tanya und Khalid sind immerhin Fleurs Eltern, und …”
“Ich vermisse die Kleine auch”, unterbrach Xavier sie mit einem überraschenden Eingeständnis. “Und meiner Meinung nach hätte man sie besser hier, in der geborgenen Obhut ihr vertrauter Menschen, gelassen, anstatt sie in irgendein Jetset-Seebad zu schleifen, wo sie vermutlich irgendwelchen Hotelangestellten überantwortet wird, während sich ihre Eltern amüsieren.”
“Du bist unfair”, protestierte Mariella und hielt still, als Xavier wieder anfing, ihren verspannten Nacken zu massieren.
“Nein, ich bin nur ehrlich”, widersprach er. “Und wenn Khalid zurückkehrt, werde ich ihm sehr deutlich machen, dass Fleur die Geborgenheit eines festen Zuhauses braucht!”
Xavier würde vermutlich ein guter Vater sein, überlegte Mariella und rief sich sofort zur Ordnung, weil dieser Gedanke alle möglichen verbotenen Fantasien nach sich zog. Immerhin hatte Xavier genauso wenig wie sie die Absicht, überhaupt zu heiraten!
Sie schloss die Augen. Allmählich spürte sie, wie sich unter Xaviers behutsamer Massage ihre Anspannung löste. Es war himmlisch, sich ganz diesem Gefühl hinzugeben. Aber je länger Xavier sie
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