Nacht der Versuchung
höflich und hilfsbereit Auskunft. Sie habe tatsächlich die Abzweigung zu der Oase verpasst, was in einem solchen Sandsturm leicht geschehen könne. Außerdem seien wegen der Wetterverschlechterung alle Touristen angewiesen worden, nicht in der Wüste zu bleiben, sondern in die Stadt zurückzukehren. Für Mariella allerdings sei es nun das Beste, ihren Weg zur Oase fortzusetzen, den der Kameltreiber ihr sorgfältig beschrieb.
Mariella bedankte sich und fuhr nach der Beschreibung des Beduinen weiter, wobei sie die Kompassanzeige jetzt stets im Blick behielt. Und tatsächlich, nach einem, wie es ihr schien, endlosen Auf und Ab über weitere Dünen, tauchte durch die aufgewirbelten Sandwolken endlich die schemenhafte Silhouette des Gebirges vor ihr auf. Es war schon vier Uhr, und das Tageslicht schien rapide abzunehmen, was Mariella zusätzlich mit Panik erfüllte. Wenn sie geahnt hätte, dass ihr Ausflug so gefährlich hätte werden können, wäre sie nie dazu aufgebrochen. Aber nun war wenigstens ein Ende in Sicht.
Sie brauchte fast eine weitere Stunde im Zickzack durch die Sanddünen, bis sie die felsigen Ausläufer des Gebirges erreichte. Die Oase lag im Schatten einer tiefen Schlucht, deren schroffe, steil aufragende Wände Mariella erschauern ließen. Niemals hätte sie erwartet, dass ein Ort wie dieser den treulosen Liebhaber ihrer Schwester hätte reizen können.
Würde seine Villa hier genauso ein Palast sein wie sein Zuhause in Zuran? Neugierig spähte Mariella voraus, wo sich die Schlucht vor ihren Augen öffnete und die Oase in ihrer einsamen Schönheit preisgab. Umrahmt von hohen Palmen und eingetaucht in die letzten Strahlen der untergehenden Sonne, wirkte sie irgendwie unwirklich. Mariella hielt den Wagen an und blickte sich suchend um. Wo war die Villa des Scheichs? Sie sah lediglich ein einzelnes Zelt – zugegeben, ein ziemlich großes, aber ganz bestimmt keine Villa. Hatte sie sich etwa schon wieder verirrt?
Müde und hungrig fing Fleur erneut zu weinen an, und Mariella war klar, dass sie zumindest der Kleinen zuliebe eine Pause machen musste. Vorsichtig fuhr sie weiter über den holprigen Felspfad, der mehr wie ein ausgetrocknetes Flussbett schien als wie eine Straße. Ringsum waren die Felsen und das spärliche Gras der Oase mit Sandstaub bedeckt. Unweit war ein Geländewagen geparkt. Mariella hielt daneben an. In diesem Moment trat ein Mann aus dem Zelt, offenbar aufmerksam geworden durch das Motorengeräusch ihres Wagens.
Als er auf Mariella zukam, drückte ihm der Wind das lange Gewand an den athletischen Körper. Ihr stockte unwillkürlich der Atem. Der Mann hob den Kopf und sah sie an … und sie wollte ihren Augen nicht trauen.
Es war der arrogante Fremde vom Flughafen. Der Mann aus ihrem Traum!
2. KAPITEL
E r hatte die Hand bereits an der Tür des Jeeps und riss sie auf. “Wer, zum Teufel, sind Sie denn?” Wie schon auf dem Flughafen verweilte sein Blick fast verächtlich auf ihren auffällig blaugrünen Augen.
“Ich suche Scheich Xavier Al Agier”, antwortete Mariella und hielt seinem Blick stand.
“Und was wollen Sie von ihm?”
Er benahm sich wirklich nicht gerade höflich, aber nach ihrem ersten Eindruck … nicht zu vergessen, ihrem Traum … hatte sie nichts anderes erwartet. “Was ich von Scheich Xavier will, geht Sie gar nichts an!”, entgegnete sie deshalb ärgerlich. Vielleicht lag es an ihrem lauten Ton, jedenfalls fing Fleur, die sowieso schon gequengelt hatte, nun ernsthaft zu weinen an.
Der Fremde spähte ungläubig in den Wagen. “Sie haben das Baby dabei? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Haben Sie denn nicht die Wetterwarnungen im Radio gehört? Wegen der drohenden schweren Sandstürme wurden alle Touristen angewiesen, diese Gegend strikt zu meiden!”
Errötend fiel Mariella ein, dass sie das Radio ausgeschaltet hatte, um für Fleur Kinderlieder zu spielen. “Es tut mir leid, wenn ich zu einem unpassenden Zeitpunkt komme”, flüchtete sie sich in Sarkasmus, “aber wenn Sie mir freundlicherweise einfach den Weg zur Istafan-Oase beschreiben könnten, dann …”
“Dies ist die Istafan-Oase”, fiel er ihr barsch ins Wort.
Mariella schwieg einen Moment verunsichert. Dann riss sie sich zusammen. “Schön … ich möchte Scheich Xavier Al Agier sprechen”, wiederholte sie energisch ihr Anliegen. “Ich nehme an, er befindet sich hier?”
“Weshalb wollen Sie ihn sprechen?”
Nun hatte sie wirklich genug. “Das geht Sie gar nichts
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