Nacht der Versuchung
hatte Fleur jetzt wieder angefangen zu weinen. Unwillkürlich wandte Mariella sich ihr zu, aber Scheich Xavier war schneller, beugte sich in den Jeep und hob die Kleine heraus.
Mariella beobachtete die beiden mit angehaltenem Atem. Das Baby sah in seinen Armen winzig aus. Immerhin war er Fleurs Vater, da musste er doch irgendetwas empfinden, oder? Wenigstens eine gewisse Reue, Schuldgefühle …?
Er betrachtete Fleur tatsächlich einen Moment nachdenklich, doch seine Miene war unergründlich. “Sie hat Ihr Haar”, sagte er dann und legte sie Mariella in den Arm, bevor er schroff hinzufügte: “Der Wind wird stärker. Wir müssen unbedingt ins Zelt … Was haben Sie vor?”
Mariella hatte sich wieder dem Jeep zugewandt. “Ich möchte Fleurs Sachen aus dem Wagen holen.”
Scheich Xavier winkte unwillig ab. “Lassen Sie das jetzt. Ich hole sie später.”
Der starke Wind fegte Mariella den Sand jetzt so ins Gesicht, dass er sich wie Schmirgelpapier auf der Haut anfühlte. Als sie schließlich das schützende Zelt erreicht hatte, schmerzten ihr außerdem die Beine von der Anstrengung, sich durch die Sandwehen vorwärtszukämpfen.
Das Zelt war sehr viel geräumiger, als es von außen den Anschein gehabt hatte. Der zentrale Wohnbereich war mit luxuriösen Teppichen und niedrigen Diwans wohnlich eingerichtet. Bunte Läufer zierten dunkle Holzkommoden, und zahlreiche Öllampen und Kerzen auf kunstvoll geschnitzten Tischen tauchten alles in ein sanftes Licht. Seitlich ließen zwei mit goldenen Schnüren halb zurückgebundene Türvorhänge vermuten, dass es noch weitere Zimmer gab.
“Fleur braucht etwas zu essen und muss gewickelt werden”, sagte Mariella. “Und ich möchte beim Beach Club anrufen und über meinen Verbleib Bescheid geben.”
“Telefonieren? Bei dem Sandsturm?” Scheich Xavier lachte spöttisch. “Selbst ein Festnetzanschluss würde nur mit viel Glück funktionieren … ein Handy schon gar nicht. Und was das Kind betrifft …”
“Das Kind!”, fiel Mariella ihm empört ins Wort. “Sie heißt Fleur! Aber obwohl Sie jetzt die Wahrheit wissen, versuchen Sie immer noch, sich von ihr zu distanzieren, nicht wahr? Lassen Sie sich gesagt sein …”
“Nein, lassen Sie sich etwas gesagt sein”, unterbrach er sie nun seinerseits. “Jeder x-Beliebige könnte der Vater dieses Kindes sein. Es tut mir für die Kleine leid, dass ihre Mutter eine derart lockere Moral hat und sich jedem Mann an den Hals wirft. Aber ich habe nicht vor, mich dazu erpressen zu lassen, für ein so billiges Vergnügen zu bezahlen … ebenso wenig wie für ein Kind, das daraus eventuell hervorgegangen ist … oder auch nicht!”
Mariella war kreidebleich geworden. Ehe sie ihre Schwester jedoch verteidigen konnte, fing Fleur richtig zu weinen an. Jetzt galt es erst einmal, sich um die Kleine zu kümmern. “Schon gut, mein Schatz, ich weiß ja, dass du Hunger hast …” Mariella streichelte sie zart und küsste sie auf die Stirn. Sie hatte Tanya schon bei Fleurs Geburt beigestanden und liebte ihre kleine Nichte, als wäre sie ihre eigene Tochter.
“Ich weiß zwar nicht, was so ein Baby braucht, aber im Kühlschrank ist Obst und Milch, und es gibt auch einen Mixer”, sagte Scheich Xavier sachlich.
Kühlschrank? Mixer? Mariella sah ihn erstaunt an. “Sie haben hier draußen Elektrizität?”
Er lächelte spöttisch. “Natürlich sind wir nicht ans öffentliche Netz angeschlossen, wenn Sie das meinen. Aber es gibt einen kleinen Generator, der genügend Strom für meine Bedürfnisse produziert. Wenn ich mich nach hier draußen zurückziehe, um in Ruhe arbeiten zu können, heißt das nicht, dass ich auf jeden Luxus verzichten möchte. Der Generator wird auch genügend warmes Wasser liefern, sodass Sie das Baby baden können. Sie selbst allerdings werden sich damit begnügen müssen, mein Badewasser zu teilen.” Er sah sie herausfordernd an. Offensichtlich machte es ihm Spaß, sie zu provozieren.
“Da ich nur eine Nacht hier verbringen werde, kann ich auf dieses spezielle Vergnügen wohl verzichten”, erwiderte sie kühl.
“Ich werde jetzt noch einmal hinausgehen und die Babysachen aus dem Jeep holen. Die Küche finden Sie durch den Durchgang dort und dann rechts.”
Mariella hatte zwar in Form von Milchpulver und Babynahrung in Gläschen alles Nötige für Fleur eingepackt, dennoch konnte es nichts schaden, sich die Gegebenheiten anzusehen. Der Durchgang, den Scheich Xavier ihr bezeichnet hatte, führte rechts in
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