Nacht der Versuchung
Pferdepfleger und Stallburschen ihrer Arbeit nachgingen, alle bekleidet mit khakifarbenen Shorts oder Hosen und T-Shirts, auf denen die Farben von Prinz Sayids Rennstall leuchteten.
„Vielleicht sollten Sie das Baby jetzt in die Krippe bringen“, schlug der Assistent des Prinzen höflich vor.
Doch Mariella schüttelte den Kopf. Zu groß war ihr Verantwortungsgefühl gegenüber ihrer Nichte, als dass sie sich unnötig lang von ihr getrennt hätte. Außerdem hätte sie bei dem Trubel sowieso keine einzige Skizze von den Pferden anfertigen können. Andererseits bot diese Veranstaltung aber eine herrliche Gelegenheit, Leute zu beobachten!
Xavier ließ den Blick über die Menge schweifen, die den Hof der königlichen Stallungen füllte, und fragte sich erneut, was, in aller Welt, er hier tat. Normalerweise mied er derartige gesellige Veranstaltungen wie die Pest. Das war eher Khalids Ding, und wenn sein junger Cousin nicht ohne Vorwarnung abgetaucht wäre, wäre es auch seine Aufgabe gewesen, daran teilzunehmen. Da Xavier jedoch gemeinsame Interessen mit dem Prinzen verbanden, fühlte er sich verpflichtet, nun persönlich zu dem Frühstück zu erscheinen, zumal es einem wohltätigen Zweck diente, den er vollauf unterstützte.
Nachdem er mit verschiedenen Leuten geplaudert hatte, darunter mit mehreren Mitgliedern der königlichen Familie, hatte er eigentlich das Gefühl, seiner Pflicht Genüge getan zu haben, und wollte schon wieder gehen, als er vor sich in der Menge etwas Türkisblaues aufleuchten sah. Xavier stutzte, blickte genauer hin und ging dann entschlossen darauf zu.
Die Gäste hatten begonnen, sich zu den Pavillons zu begeben, wo das Frühstück serviert werden sollte. Mariella zögerte. Wahrscheinlich war dies der richtige Zeitpunkt, Fleur doch für eine Weile in der Kinderkrippe abzugeben. Suchend blickte sie sich um in der Hoffnung, den hilfreichen Assistenten des Prinzen irgendwo zu entdecken.
Xavier bemerkte Mariella, bevor sie ihn sah. Seine grauen Augen leuchten ärgerlich auf. Sie war es tatsächlich! Und er konnte sich gut vorstellen, was sie hier tat! Einige der reichsten Männer Zurans waren anwesend, und nur wenige davon hätten sich von ihrem Anblick nicht in Versuchung führen lassen. Angefangen bei ihrem ebenso eleganten wie gewagten Hut bis hinunter zu den zierlichen, hohen Sandaletten wirkte sie unwiderstehlich feminin und zerbrechlich. Ein Bild verletzlicher Unschuld. Nur dass sie natürlich weder verletzlich noch unschuldig war! Und sie hatte den Nerv, ihren Mutter-Kind-Status aller Welt zu verkünden, indem sie das Baby auf ihrem Arm auch noch farblich passend zu ihrem Outfit angezogen hatte.
Ohne zu ahnen, welches Damoklesschwert in Gestalt eines sehr zornigen Mannes über ihr schwebte, setzte Mariella sich Fleur auf die andere Hüfte und ließ den Blick weiter über die Gäste schweifen auf der Suche nach dem Assistenten.
„Ganz reizend! Typisch für Sie, hier aufzutauchen … und auch noch mit Ihrem neuesten ‚Accessoire‘ aus Europa! Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass Sie seine Wirkung hier in Zuran vermutlich falsch eingeschätzt haben.“
„Xavier!“ Mariella sah ihn entsetzt an und spürte, wie ihr die Knie zitterten.
„Ich habe keine Ahnung, wie Sie an den Sicherheitsleuten vorbeigekommen sind … obwohl ich es mir vorstellen kann!“ fuhr er spöttisch fort. „Frauen, die sich aushalten lassen oder ihre Gunst an den Meistbietenden verkaufen, sind normalerweise zu solchen Veranstaltungen nicht zugelassen.“
Seine Worte trafen sie nicht nur in ihrem Stolz, sondern weckten auch ihre Beschützerinstinkte bezüglich ihrer Schwester. Wenn sie sich allerdings auf ein Gespräch mit Xavier einließ, würde sie ihm erklären müssen, dass sie nicht Fleurs Mutter war. Augenblicklich wurde sie jedoch zum Frühstück im Pavillon erwartet. Immerhin war sie geschäftlich hier und würde ihren lukrativen Auftrag nicht durch ein peinliches Wortgefecht mit Xavier vor den Augen des Prinzen aufs Spiel setzen!
„Ich weigere mich, mit Ihnen zu reden, wenn Sie so unhöflich sind“, sagte sie kühl. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich werde beim Frühstück erwartet.“ Grelles Blitzlicht ließ sie zusammenzucken, und sie erkannte, dass ein Fotograf soeben sie und Xavier fotografiert hatte!
„Glauben Sie nicht, dass ich nicht weiß, was Sie hier vorhaben“, sagte Xavier herausfordernd. „Weil Ihnen klar ist, dass Khalid nun zur Vernunft kommen wird, wenn er erfährt, was
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