Nacht des Ketzers
verwirrt, jetzt können und werden wir ihn wieder in unsere Gemeinschaft aufnehmen.“ Ja, so sollte es sein. Bellarmin war aufgewühlt. Das zu erreichen war nun sein Ziel.
Mühsam ächzend richtete Valerio sich auf, nachdem er dem Kardinal die Schuhe gebunden hatte.
Der Papst wäre überglücklich, und Ruhe und Frieden würden wieder in ihre Kirche einziehen.
Nachdem er fertig angekleidet war, kniete Bellarmin auf seinem Gebetsschemel und begann mit den Morgenexerzitien. Er konnte sich nicht so recht konzentrieren. Geistesabwesend flüsterte er wie jeden Morgen seine Gebete. Wenig später würde er mit dem Ordensgeneral der Dominikaner, Hippolytus Maria Beccaria, und dem Procurator Paul Isario della Mirandola in einem kleinen, den Mitgliedern des Heiligen Offiziums vorbehaltenen Speisesaal im oberen Teil der Engelsburg das Frühstück einnehmen. Er würde mit ihnen die Strategie besprechen, wie man Bruno am besten in die Zange nehmen konnte, um ihn doch noch zur Umkehr zu bewegen. Am meisten waren die Menschen zu beeindrucken, wenn es der Kirche gelang, einen armen Sünder zur Umkehr zu bewegen, und wenn sie dann Gnade walten und ihn hinter Klostermauern seine Sünden bereuen ließ. Wenn es aber gar nicht anders ging, dann musste man den Menschen zeigen, dass die irdischen Qualen der Folter und der Tod auf dem Scheiterhaufen erst ein Vorgeschmack auf das waren, was den Sünder im ewigen Fegefeuer erwartete. Nur so blieben sie gottesfürchtig und gehorchten den Gesetzen der heiligen römisch-katholischen Kirche.
Bellarmin lief aufgeregt die Treppen hinunter, die direkt von seinen Schlafgemächern ins Vestibül führten, und rief dabei laut nach den Dienern, die ihn auf seiner Sänfte Richtung Vatikan bringen sollten. Obwohl es noch früh am Morgen war, herrschte in den Straßen und Gassen Roms schon geschäftiges Treiben. Nachdem Papst Clemens VIII. die Schweizergarden seines Vorgängers zu seinem persönlichen Schutz übernommen hatte, gewährte er auch hochstehenden Persönlichkeiten wie dem Kardinal einen Wachmann zu dessen Sicherheit. Der blässliche junge Mann lief nun in knappem Abstand hinter der Sänfte her. Bewaffnet mit einem Schwert und einer Hellebarde, auf dem Kopf einen Helm, rannen dem Armen die Schweißtropfen nur so über das Gesicht. Der Kardinal mochte die morgendliche Strecke über die Marktplätze, den Duft frisch geschnittener Blumen, das Geschrei der Bauern, die schon die halbe Nacht unterwegs waren, um ihre Waren hier in Rom unters Volk zu bringen: Melonen, Orangen, frisch gefangene Brassen und Garnelen aus Ostia. Geräucherte Wildschweinsalami von den Bauern um Gaiole. Köstlichkeiten aus dem ganzen Umland wurden auf den Märkten feilgeboten. Versperrte ein Ochsenkarren oder eine Gruppe streitender Marktfrauen den Weg, reichte es meist, den Wachmann vorzuschicken, und binnen kürzester Zeit war das Problem bereinigt. Die Diener des Kardinals kannten alle möglichen Abkürzungen, um so schnell wie möglich zur Engelsburg zu gelangen. Sie ächzten unter ihrer Last und wollten sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Bellarmin wurde von Minute zu Minute euphorischer. Sein Plan war fertig. Heute würde er ihn besiegen, den Ketzer.
Kapitel 7
Unauffällig war Guiseppe dem Flüchtenden vor die Mauern Neapels gefolgt. Erst dort, auf offenem Feld, hatte er den Abstand zwischen ihnen größer werden lassen. Giordano hatte einen zügigen Schritt, und er musste sich ziemlich Mühe geben, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Neben Kleidung und Proviant hatte er noch einige Heiligenbilder in seinem Ranzen. Er hatte sich fest vorgenommen, bei nächster Gelegenheit die Diskussion über die Heiligenverehrung mit Giordano wieder aufzunehmen. Der schmächtige Mönch spürte, dass sein Mitbruder im Grunde seines Herzens ein frommer, gottesfürchtiger Mann war, der sich einfach nur durch falsche Propheten in die Irre hatte leiten lassen. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, ihn wieder auf den rechten Weg und in die Klostergemeinschaft zurückzubringen, für die er in seinen Augen durch seine überragende Klugheit einen großen Gewinn darstellte. Guiseppe selbst war bei den Mönchen im Kloster aufgewachsen. Seine Mutter sei eine arme Bettlerin gewesen und habe ihn als kleines Kind in Stofffetzen gewickelt vor die Klostertür gelegt, hatte man ihm gesagt. Immer wenn er später die Mauern des Klosters verlassen hatte, sei es, um irgendwo einem Gottesdienst beizuwohnen oder um Botengänge für die
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