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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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die Mauernische, als er eine leblose, von schwarzen Flecken übersäte Hand erkannte. Gebannt sah er dem Wagen nach. So nahe war er dem Schwarzen Tod noch nie zuvor gekommen. Es schien, als hätte der sein grausiges Handwerk hier gerade erst begonnen. Anders als in Venedig, wo es zwar auch noch Tote gegeben hatte, war es hier einsam in den engen Gassen. Die wenigen Menschen, die ihm begegneten, hatten einen leeren Ausdruck in den Augen. Würdigten ihn keines Blickes, sondern versuchten so schnell wie möglich ihr Ziel zu erreichen, um sich hinter dicken Häusermauern einer trügerischen Sicherheit hinzugeben.
    Vor einer kleinen Kapelle begegnete Giordano zwei mit Kerzen beladenen Dominikanermönchen. Die beiden jungen Männer waren so mit ihrer schweren Last beschäftigt, dass sie ihn gar nicht näher kommen sahen. Er lächelte. Es war der erste freundliche Augenblick in dieser vom Tod beherrschten Stadt. Langsam trat er von hinten an die beiden heran.
    „Raffaelo, Roberto!“ Die beiden Mönche erschraken so sehr, dass sie fast ihre kostbare Fracht hätten fallen lassen.
    „Was willst du, Fremder? Siehst du nicht, dass das Grauen hier wütet? Eile, flieh, verlasse diese Stadt, ehe es zu spät ist.“
    „Raffaelo, Roberto, erkennt ihr mich denn nicht?“
    Die beiden schüttelten den Kopf und wollten sich eilig davonmachen, um hinter schützenden Klostermauern Zuflucht vor der Pest zu finden.
    „Ich bin es, Giordano, Giordano Bruno!“
    Erst jetzt hellten sich die Züge der beiden Mönche auf. Natürlich. Diese Züge, hohlwangig zwar und tiefbraun von der Sonne, das Haar, viel länger als noch im Kloster, war längst über die Tonsur gewachsen, aber doch, er war es. Er, der sie bei einem Besuch des Klosters San Domenico Maggiore mit seiner Leidenschaft mitgerissen hatte, wenn sie versteckt vor dem Prior und den anderen Patres seinen langen Vorträgen gelauscht hatten. Er war es. Giordano Bruno. Nacheinander fielen sie ihm um den Hals, doch gleich darauf trieben sie ihn zur Eile.
    „Komm, Giordano, wir müssen weg hier.“
    „Wo wollt ihr hin?“
    „Ins Kloster, dorthin ist die Pest noch nicht gekommen. Die Patres haben eine Schutzwand aus Kerzen und Weihrauchpfannen errichtet und das Unglück so bisher ferngehalten.“
    Giordano nahm ihnen ein Bündel der kostbaren Fracht ab und lief dann mit den beiden, so schnell es ging, durch die engen Gassen. Ab und zu sahen sie Männer mit vermummten Gesichtern Leichen aus Häusern tragen und auf bereitgestellte Esels- oder Handkarren werfen. Die Männer stießen dabei zumeist Flüche aus, die nie durch fromme Klostermauern drangen. Giordano wäre fast über ein wimmerndes, am Gassenrand kauerndes Bündel gestolpert. Eine schwarz gefleckte Kinderhand streckte sich ihm Hilfe suchend entgegen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Giordano schwitzte und fror zugleich. So nah war er dem Tod tatsächlich noch nie gewesen.
    Als sie eine Weile gelaufen waren, blieb Raffaelo plötzlich stehen.
    „Halt“, keuchte er atemlos und sah Giordano von oben bis unten an, „wir haben etwas übersehen.“ Nun verstand auch Roberto.
    „Ja, unser Prior hat strenge Anweisung gegeben. Ohne das Ordenskleid kommst du nicht in das Kloster.“
    „Macht euch um mich keine Sorgen.“ Es war das zweite Mal, dass Giordano in diesem Inferno kurz lächelte und dabei auf seinen Wanderranzen klopfte.
    Die beiden Mönche begriffen nicht.
    „Ich habe alles bei mir.“ Er zog das Skapulier ein kleines Stück hervor. Erleichtert drängten Raffaelo und Roberto nun wieder zum Aufbruch.

Kapitel 17
     
    Guiseppe schlug ein Kreuz. Aufgeregt sah er, wie sich Giordano mit den beiden Dominikanermönchen unterhielt. Je näher er kam, desto wilder begann sein Herz zu schlagen. War nun die Stunde gekommen, da er sich ihm offenbaren konnte? War es nun an ihm, seine Mission zu erfüllen und das verirrte Schaf zur Rückkehr in die sichere Herde zu bewegen? Erleichtert folgte er der Gruppe, die sich in Bewegung gesetzt hatte. Um sie zu rufen, waren die drei noch zu weit entfernt, um zu laufen und sie einzuholen, schmerzten ihm die Füße zu sehr von den langen Märschen der letzten Tage. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als zu versuchen, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
    Totenstille lag über der Stadt, durchbrochen vom Radgeklapper der Leichenkarren. Die Angst hinter verschlossenen Türen und Fensterläden war zu spüren. Einige Bewohner hatten ihre toten Angehörigen einfach vor die Tür gelegt.

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