Nacht des Ketzers
Körper die enge, steile Treppe herunterzuziehen. Ihre Hände waren in Lappen gewickelt, und sie hatte ein Tuch vor dem Mund: Der Tote entglitt ihr just in dem Moment, als Guiseppe das Haus betrat. Die Frau schrie laut auf, die in ein Tuch gehüllte Leiche polterte die Treppe hinunter und verhakte sich bei den letzten zwei Stufen. Die weit geöffneten Augen schienen den Mönch anzustarren. Das schmerzverzerrte, schwarz gefleckte Gesicht und der weit aufgerissene Mund ließen ihn vor Schreck einen Schritt zurück machen. Die Frau schrie immer noch. Das Tuch vor ihrem Mund hatte sich gelöst, das schweißnasse, blonde Haar hing ihr strähnig ins Gesicht. Sie war noch sehr jung, mochte etwa Anfang zwanzig sein.
Guiseppe fasste sich als Erster. „Gebt mir die Tücher, die Ihr um die Hände gewickelt habt“, befahl er. Zögerlich streifte die junge Frau die Tücher ab und warf sie ihm von der Treppe aus zu. Guiseppe band sein Hemd über Mund und Nase und machte sich daran, den Toten auf den Flur zu ziehen. Ein übler Geruch drang ihm in die Nase und erzeugte einen heftigen Brechreiz. Er musste sich zwingen weiterzumachen, nicht einfach alles liegen und stehen zu lassen und davonzulaufen.
„Du musst dieser Frau helfen, es ist deine Pflicht“, sagte er sich. Das weiche, schwammige Fleisch der Leiche fühlte sich widerlich an. Irgendwie gelang es ihm, den Toten wieder in sein Tuch einzuwickeln, es am unteren Ende zu verknoten und ihn am oberen Ende aus dem Haus zu ziehen. Vor der Haustür legte er das Bündel ab und war erleichtert, als er aus der Ferne zwei Männer mit einem Ochsengespann bei ihrer nächtlichen Tour auf der Suche nach Pestopfern die Straße auf ihn zufahren sah. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich. Die Frau saß weinend, das Gesicht in ihren Händen vergraben, auf der Treppe.
„Mein Name ist Guiseppe.“ Die Frau hob unmerklich ihr Gesicht. „Ich bin Mönch aus dem Dominikanerkloster San Domenico Maggiore.“
Nun sah ihn die Frau geradeheraus ungläubig an. Guiseppe sah an sich herab und musste einsehen, dass seine Aussage, Mönch zu sein, etwas erklärungsbedürftig war. Das Gesicht der Frau wirkte nun älter, vom Kummer, den Strapazen, die sie erlitten hatte, ausgezehrt. Dennoch musste sich Guiseppe eingestehen, dass ihn irgendetwas an ihr faszinierte. Waren es die ungewöhnlich blauen Augen oder die kleine, markante, spitze Nase? Er verdrängte den Gedanken sogleich wieder. Als Mönch war er jahrelang darauf vorbereitet worden, jegliche Regung dieser Art sofort im Keim zu ersticken.
„Ich weiß, es sieht nicht so aus“, stammelte er etwas verlegen. „Ich war auf einer langen Wanderschaft.“ Schon wollte er den Grund dafür erwähnen, sah aber ein, dass er damit die arme Frau vollends verwirren würde.
„Also, wenn Ihr nichts dagegen habt …?“ Die Frau kauerte immer noch auf der Treppe und hatte das Gesicht an die Mauer gelehnt.
„Wenn Ihr nichts dagegen habt …?“, wiederholte er. Erst jetzt sah er, dass die Frau vor Erschöpfung im Sitzen eingeschlafen war.
Kapitel 18
Guiseppe warf sich im Schlaf hin und her. Er schwitzte am ganzen Körper. Was war das? Träumte er? Plagte ihn ein Fieber? Aber halt, er war nicht allein. Ein Körper war neben ihm. Nackt. Guiseppe stöhnt im Schlaf auf. „Nein. Lass mich in Ruhe! Geh weg!“, wollte er rufen. Hände glitten über seinen nun ebenfalls nackten Körper.
„Nein! Hör auf! Ich bin Mönch. Ich habe das Gelübde der Keuschheit abgelegt“, sagte seine innere Stimme. Doch die Hände hörten nicht auf, glitten unaufhörlich über seinen Rücken, seine Brust, seine Schenkel.
„Nein! Bitte, lass mich“, kam es flehentlich über seine Lippen. Nun sah er ganz deutlich das Gesicht der Frau, deren Namen er noch nicht einmal wusste, über dem seinen. Ihre Lippen suchten seine, fanden sie, küssten sie, sosehr er auch versuchte, den Kopf nach links und rechts zu drehen, um den unerbetenen Berührungen zu entkommen. Doch mit eisernem Griff hielt sie nun seine Hände auf das Bett gedrückt, so als wäre er gefesselt. Er sah Brüste vor seinen Augen. „Monachello, Monachello“, sie lachte laut und rief diesen Namen. Immer wieder. „Monachello, Monachello.“ Ihre Brustwarzen berührten seinen Oberkörper. Ihre Küsse bedeckten seinen Hals, seine Schultern. Ihr Schweiß vermischte sich mit seinem. Immer tiefer glitten ihre Hände. Streichelten seinen Bauch, berührten vorsichtig die Spitze seines Gliedes, streichelten es
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