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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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zärtlich, wurden immer drängender.
    „Nein, bitte hör auf, nein!“ Es half kein Flehen. „Nein!“ Mit einem Ruck richtete Guiseppe sich auf. Die Hand an seinem Glied war seine eigene, sonst befand sich niemand im bereits von der Morgendämmerung erhellten Raum. Beschämt stand er auf, nahm seine Habseligkeiten und verließ rasch, ohne sich noch einmal umzusehen, das Haus.
    Wie er vermutet hatte, war der Tote noch in der Nacht abgeholt und zusammen mit unzähligen anderen, die die Pest in der Nacht geholt hatte, in einer Grube vor den Mauern der Stadt verscharrt worden. Immer noch benommen von seinem Traum, beschloss er, sein Glück doch noch einmal beim Kloster zu versuchen oder zumindest irgendwo in der Nähe zu warten, um Giordano nicht aus den Augen zu verlieren. Noch einmal kam ihm der heilige Antonius in den Sinn, und das Bild der jungen Frau, das er noch bis eben vor Augen gehabt hatte, verschwand. Ihn beteten die Menschen doch an, dass er ihnen gegen die Pest helfe. So begann auch Guiseppe zu beten und um Vergebung für seinen unkeuschen Traum zu bitten. Er kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Giordano das Kloster verließ, als müsse er vor etwas fliehen.

Kapitel 19
    13. März 1597
     
    „… und so bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss gelangt, Bruder Giordano noch einmal der Folter zu unterwerfen.“ Kardinal Bellarmin hatte das Offizium zu einer außerordentlichen Versammlung zusammengerufen und hatte nun unter beifälligem Nicken seine Entscheidung, den Ketzer ein allerletztes Mal zur Umkehr zu bewegen, bekanntgegeben.
    Auf ein Zeichen des Vorsitzenden verließ ein Bote die Versammlung und eilte Richtung Engelsburg, um den Beschluss des Offiziums sogleich in die Tat umsetzen zu lassen. Giordano war bereits während seiner Haft in Venedig und auch in Rom gefoltert worden. Jedes Mal war er danach so weit gewesen, alles, was man ihm vorwarf, zu widerrufen. Erst als seine Wunden langsam wieder heilten, er wieder klare Gedanken fassen konnte und seinen alten Mut und seine alte Kraft wiedergewonnen hatte, schleuderte er seinen Peinigern entgegen, er denke gar nicht daran und habe niemals daran gedacht, auch nur das Geringste von dem, was er gesagt hatte, zurückzunehmen.
    Giordano war eingenickt und lag zusammengerollt im Stroh, als seine Kerkertür mit einem lauten Geräusch aufgeschlossen wurde.
    „He, Ketzer, steh auf!“ Eine der Wachen verpasste ihm einen kräftigen Fußtritt. Er war doch erst kürzlich beim Verhör gewesen. Normalerweise ließ das Offizium zwischen den Verhören mehrere Monate, ja manchmal sogar ein ganzes Jahr verstreichen – und nun? Zwei Verhöre in einer Woche? Da stimmte etwas nicht. Umständlich kam er auf die Beine.
    „Arme ausstrecken!“
    Giordano kam der Aufforderung nach und bekam eine schwere rostige Kette umgebunden, die bei jeder Bewegung seine Gelenke wundscheuerte. Abermals ein Fußtritt, und der Gefangene setzte sich, eskortiert von den Wachen, in Bewegung. Erst als sie zur Treppe kamen und anstatt nach oben den Weg nach unten einschlugen, ahnte er, was ihm bevorstand. Er begann zu zittern. Erst unmerklich, dann heftiger. Giordano spürte, wie die Angst ihn übermannte.
    „Los, schneller!“ Die Wache hinter ihm schlug ihm mit ihrer Lanze ins Kreuz.
    „Na, Bürschchen, ahnst du schon, wo es hingeht?“ Die Wache vor ihm drehte sich um und grinste ihn mit zahnlosem Maul an. Die Luft wurde immer stickiger. Mühsam zwang sich der Gefangene, die groben, unbehauenen Stufen in das unterste Stockwerk der Engelsburg hinabzusteigen. Ein Schwall von Angst und Schmerz, der die Luft dort unten beherrschte, schlug ihm entgegen. In der Mitte des Raumes, in dem die Folterwerkzeuge standen, brannte ein offenes Feuer. Es sah aus wie in einer Schmiede. An den Wänden klebten Ruß und Blut. Allerlei Zangen und anderes Werkzeug standen fein säuberlich aufgereiht neben der Feuerstelle. Zwei baumlange Kerle mit nacktem Oberkörper kamen ihnen entgegen, hoben Giordano hoch und legten ihn auf ein Holzgerüst. Die Ketten wurden ihm abgenommen, dafür fesselten sie seine Hände mit Hanfseilen und befestigten sie am Kopfende an einem Rad, nachdem sie ihm sein Hemd ausgezogen hatten. Sein Herz pochte wie wild. Der Speichel wollte nicht aufhören zu fließen. Was würden die Bestien sich dieses Mal einfallen lassen? Stumm und geistesabwesend arbeiteten die beiden Männer. Die Handgriffe waren routiniert. Giordano starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. In

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