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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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Der General hatte die Mönchskutte über den Kopf der Nonne geschlagen. Als lese er andächtig in einem Messbuch, hatte er die Hinterbacken der Nonne auseinandergezogen. Giordano keuchte. Er schwitzte. Das Vergangene wurde zur Gegenwart. Die Erinnerung, war sie real oder ein Traum? Dem Sinnlichen entsagend, nur das Schöne und Gute anzustreben. Das war sein Ziel. Für immer. Der Traum verflüchtigte sich. Tiefer Schlaf obsiegte.
    Der Hausherr öffnete vorsichtig die Tür zu Giordanos Zimmer. Er meinte, Geräusche gehört zu haben. Doch alles, was er nun vernahm, war Giordanos lautes, gleichmäßiges Schnarchen.

Kapitel 53
     
    Guiseppes Hinterteil war wundgescheuert. Die vergangenen zwölf Stunden hatte er sich kaum eine Rast gegönnt. Zu groß war seine Sorge um das Schicksal des geliebten Wesens. Nie würde er es sich verzeihen, wenn er zu spät kam. Wenn der grausame Richter seine Art von Gerechtigkeit an ihr übte, bevor er eingreifen konnte. Er hatte weder Augen für die gepflegte Landschaft noch für die terrassenförmig ansteigenden Weingärten und Obstplantagen oder die schmucken Dörfchen, in denen er ab und zu haltmachte, um dem Gaul etwas Wasser und sich etwas von dem Proviant, den ihm die Bauersleute mit auf den Weg gegeben hatten, zu gönnen. Er sah auch nicht die arbeitsamen Menschen, die sich nach einem langen, strengen Winter daranmachten, ihre Felder aufzubereiten. Er sah nicht die Erleichterung in manchen Gesichtern, dass die Pest nun vorüber schien und sie mit heiler Haut davongekommen waren und die eisigen Winterstürme auch das gegenseitige Abschlachten im Namen des Herrn gedämpft hatten. In Guiseppes Brust schlugen rasend zwei Herzen. Er hatte kein gutes Gefühl dabei gehabt, Giordano alleine zurückzulassen. Er wusste um die Hitzigkeit des Freundes, um seine ungestüme, manchmal unbeherrschte Art und dass er sich in philosophischen Disputen kaum im Zaum halten konnte und wenn es sein musste, um Kopf und Kragen redete. Aber er spürte, ja wusste, dass Anna in höchster Gefahr war. Anna ... bei dem Gedanken an sie wurde ihm warm. Er lächelte und trieb sein Pferd zu Höchstleistungen an. Er mochte nur noch gut drei Tagesritte von Genf entfernt sein. Braver Gaul. Treuer Weggefährte. Über Stock und Stein trug ihn das Tier seinem Ziel näher. Was war mit Neapel? Dem Kloster? Keinen Gedanken hatte er daran mehr verschwendet. Im Geiste war er schon lange kein Mönch mehr, und im wirklichen Leben erst recht nicht. Ab und zu betete er noch, aber es war ein anderer Gott geworden, an den er seine Worte richtete. Es war ein Gott, den ihm sein Freund Giordano gezeigt hatte, und es war ein anderer Glaube, zu dem er sich nun hingezogen fühlte. Ein Gott, der sich überall offenbarte. In dem Tier, auf dem er ritt, in den Wäldern und Tälern, die er durchquerte, in den hohen schneebedeckten Bergen, den Rehen und Hirschen, den Regentropfen und im Wind und ganz besonders in den Menschen, die ihm begegneten. Das alles zusammen, das war Gott. Nicht der egoistische, nur für den Einzelnen verfügbare Gott, wie man ihn im Kloster lehrte. Ein Wesen, irgendwo da oben versteckt zwischen den Sternen, das nur dann gütig und hilfreich war, wenn man es genügend anbetete. Nein, das war es nicht. Ein eifersüchtiger, alter Mann. So hatte er ihn sich in seiner Klosterzelle manchmal vorgestellt. Ein grausamer Geist, der zuließ, dass seine Geschöpfe gefoltert und auf den Scheiterhaufen geworfen wurden. Der es zuließ, dass in seinem Namen Kriege geführt wurden, die Not und Elend über die Menschen brachten. Nein, das sollte sein Gott nicht mehr sein.
    Es war dunkel geworden. Guiseppe wusste, dass er nur noch wenig Geld besaß, und beschloss daher, im Freien zu übernachten. In einem kleinen Waldstück am Fuße eines Berges fand er eine Felsnische, die, den Knochen nach zu schließen, die verstreut herumlagen, vor ihm wohl schon ein Tier bewohnt hatte. Er band das Pferd an einen nahen Baum und gab ihm aus seiner Wasserflasche zu trinken. Äste und Laub waren so feucht, dass es ihm nur mit Mühe gelang, ein Feuer zu entzünden, an dem er sich die Nacht über erwärmen konnte. Die Decke, in die er sich hüllte, war noch warm vom Körper des Pferdes, und wenig später schlief er an einen Felsen gelehnt ein. Zwei-, dreimal vernahm er Geräusche, die ihn aus dem Schlaf aufschrecken ließen. Vermutlich waren es die eigentlichen Bewohner der Felsnische, die sich nun wegen des Feuers nicht mehr in ihr Versteck

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