Nacht des Ketzers
ich auf meinen Reisen so manches Kloster und so manchen Fürstenhof besucht habe, und allenthalben kam das Gespräch auf Euch und die ketzerischen Lehren, die Ihr im Lande verbreitet habt“, fügte er rasch hinzu. Giordano wollte etwas erwidern, doch Montaigne erzählte weiter: „Keine Angst, wir hier sind etwas liberaler als Eure Landsleute. Wir schlagen uns zwar gegenseitig die Schädel ein, weil unsere obersten Adeligen …“, er hielt kurz inne und schaute nach links und nach rechts, lächelte aber sogleich wieder, „… meinen, jeweils ihre Glaubensrichtung dem Volk aufzwingen zu müssen. Aber wir werfen nicht gleich jeden auf den Scheiterhaufen, und schon gar nicht hier an der Sorbonne.“
Von diesem de Montaigne ging etwas Beruhigendes aus. Giordano vertraute ihm, hörte ihm weiter zu.
„Ich habe auch vernommen, dass man angestrengt nach Euch sucht, um Euch nach Rom an die Inquisition auszuliefern. Also wenn Ihr mich fragt, so macht Ihr um Eure Heimat in Zukunft besser einen großen Bogen, denn da erwartet Euch gewiss nichts Gutes.“
„Seid versichert, Monsieur de Montaigne, dass ich vorhabe, nie mehr nach Italien zurückzukehren. Ich weiß, dass das Holz für meinen Scheiterhaufen bereits gestapelt liegt, doch ich werde den Pfaffen den Gefallen nicht tun, mich brennen zu sehen.“ Giordanos Stimme klang bestimmt. Natürlich war ihm klar, dass ein Weg zurück für ihn nicht möglich war, aber es schmerzte ihn doch, dies so ausdrücklich von jemandem zu hören, der offensichtlich erst vor kurzem mit seinen Widersachern zu tun gehabt hatte.
„Gut, gut, Signore Bruno.“ Das Italienisch de Montaignes war ganz ordentlich, ebenso wie das Französisch Giordanos, und so versuchte sich der eine in der Muttersprache des anderen.
„Aber seid auch hier auf der Hut. Der König unterstützt die Katholiken. Seiner Mutter zuliebe, wie es heißt. Doch die Hugenotten unter Führung Heinrichs von Navarra werden immer stärker, und es kann täglich zu neuen, schweren Auseinandersetzungen im Land kommen. Aber wenn Ihr Euch nicht politisch, sondern wissenschaftlich betätigen wollt, seid Ihr hier am besten Ort der Welt. Der Rektor, Monsieur Lotair, genießt hohes Ansehen, sowohl bei den Katholiken als auch bei den Protestanten, so dass die Universität für viele ein Hort freien Denkens und Forschens geworden ist.“
Giordanos Herz hüpfte vor Freude. Am liebsten hätte er den eben noch völlig Fremden umarmt und geküsst. Endlich, endlich ein Ort nach seinem Geschmack. Hier nun sollte sich sein Schicksal erfüllen. Hier wollte er bleiben und unter Gleichgesinnten, wie dieser Monsieur de Montaigne offenbar einer war, leben und arbeiten.
„Aber nun sagt mir, mon ami, wenn Ihr keinen Lehrauftrag habt, was führt Euch dann hierher?“
Rasch erzählte Giordano von seiner Begegnung mit Professor Lotair und dass er schon bald seine erste Vorlesung halten würde, um sich sodann alsbald für eine Professur zur bewerben. Das gefiel de Montaigne sehr, und er beglückwünschte Giordano zu seinem Entschluss.
„Was ist mit Euch, Monsieur? Was treibt Euch an diesen Ort?“
„Nun, der König selbst hat mich von meinen Reisen zurückbeordert, da ich in meiner Abwesenheit zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt worden bin. Nicht, dass ich – unter uns gesagt – dieses Amt angestrebt hätte. Aber andererseits gibt es Schlimmeres auf dieser Welt. Lasst Euch gesagt sein, die Frauen und der Wein bei uns, à la bonne heure.“ Montaigne führte die spitzen Finger zum Mund und schien sie laut schnalzend zu küssen. Giordano gefiel Monsieur de Montaigne immer besser.
„Aber nun muss ich hier meine Sachen ordnen und warten, bis der König mich zu sehen wünscht. Erst dann werde ich nach Bordeaux reisen und mein Amt antreten. Hier.“ Mit diesen Worten überreichte er Giordano den Band mit den Essais. „Ich werde sicher noch einige Zeit in Paris sein, und Ihr könnt mir das Buch ja bei Gelegenheit zurückgeben.“
Giordano war hocherfreut, sowohl über das Gespräch als auch über die Leihgabe.
„Seid Ihr denn ein Philosoph, Monsieur de Montaigne?“
„Um Gottes willen, nein, das bin ich ganz und gar nicht“, winkte der Ältere ab. „Ich beobachte die Menschen und ziehe meine Schlüsse aus ihrem Verhalten. Aber Ihr, verehrter Giordano Bruno – nach allem, was ich von Euch gehört habe, seid Ihr ein Philosoph. Au revoir, ich sehe Euch hier an der Universität.“
Mit diesen Worten schickte sich Monsieur de Montaigne an,
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