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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weinek
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zurücktrauten.
    Mit der ersten Dämmerung verließ Guiseppe sein ungastliches Lager. Stocksteif sattelte er das Pferd und ritt weiter Richtung Südosten.

Kapitel 54
     
    Giordanos Schädel brummte noch, als ihn der Lärm der vor seiner Zimmertür spielenden Kinder weckte. Er hatte es gerade noch geschafft, Gehrock und Hosen auszuziehen. Nur mit Socken bekleidet, sah er etwas albern aus. Es klopfte. Zweimal, dreimal.
    „Signore Bruno!“
    Die Stimme kam ihm bekannt vor. Er spürte ein Pochen hinter der rechten Schläfe. Erneut klopfte es.
    „Signore Bruno, macht auf!“
    Das war doch … Umständlich richtete er sich auf.
    „Wartet. Ich komme!“
    Rasch schlüpfte er in den am Vorabend achtlos abgestreiften Gehrock und öffnete die Tür.
    „Monsieur de Montaigne?“
    Giordano war verblüfft.
    „Wie ich Euch gefunden habe? Ganz einfach!“
    Michel de Montaigne führte den noch etwas Benommenen zu seinem Fenster und wies auf die gegenüberliegende Straßenseite.
    „Da, das dritte Fenster von links. Dort wohne ich.“
    Was für ein Zufall. Giordano freute sich über den unerwarteten Besuch. Etwas verlegen schlug er das Buch Montaignes zu.
    „Hat Euch Monsieur Valentin von seinem vorzüglichen Cognac zu trinken gegeben?“
    „Allerdings.“ Giordano war dankbar, dass er sich nicht zu erklären brauchte.
    „Ich werde Madame Valentin bitten, Euch einen starken Kaffee zu brauen, und dann rasch zur Universität. Ihr werdet schon erwartet.“
    Giordano wusch sich und zog sich an. Der Kaffeeduft schlich die Treppe hinauf bis in sein Zimmer. Er verbrannte sich Zunge und Gaumen, da er zu hastig trank. De Montaigne war zur Gänze in Schwarz gekleidet. Dazu trug er eine weiße Halskrause, wie es sich für den künftigen Bürgermeister von Bordeaux geziemte. Giordanos Oberbekleidung war schlicht und in Brauntönen gehalten. Dazu trug er ein weißes Leinenhemd und weiße Socken. Um den Hals hatte er ein beiges Tuch geschlungen.
    „Habt Ihr denn keine Unterlagen?“
    Giordano tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn.
    „Alles hier drinnen.“
    Die Stadt schien überzulaufen vor Menschen. Zum Glück befand sich die Universität nicht weit von der Straße, in der sie wohnten. Dennoch hatte Giordano Mühe, den raschen Schritten seines neuen Freundes zu folgen. Im Vorübergehen konnte er die offenen, freundlichen Gesichter der Pariser sehen. Die Frauen hielten seinem Blick stand und senkten nicht andauernd das Haupt, wie er es in Genf beobachtet hatte. Einige von ihnen waren ausnehmend hübsch, und er musste an das am Vorabend Gelesene und danach Geträumte denken. Am Abend wollte er mit de Montaigne darüber diskutieren. Auch über dessen Ansichten über die wilden Völker wollte er reden. Doch vorerst galt seine ganze Konzentration der nun bevorstehenden Vorlesung. Einige Studierende standen im Wandelgang der Universität und musterten den Neuankömmling neugierig. Manche grüßten de Montaigne, als wäre er ein alter Bekannter. Als sie vor dem Auditorium Maximum standen, war die große Holztür verschlossen. Kein Laut war zu hören. Giordano war enttäuscht. Ein paar interessierte Studenten und Professoren hatte er schon erwartet. Er sah nicht, wie sich de Montaigne hinter ihm lächelnd die Hände rieb. Missmutig drückte er die schmiedeeiserne Klinke und wäre um ein Haar über einen auf dem Fußboden sitzenden Studenten gestolpert. Der Hörsaal war übervoll. Die Studenten saßen auf den Gängen bis unter das Rednerpult. Die, die einen Sitz in den Bankreihen ergattert hatten, klopften mit den Knöcheln ihrer Finger auf die Schreibpulte. Einige johlten. Manche steckten ihre Finger in den Mund und pfiffen.
    „Ihr seht, Euch eilt ein gewisser Ruf voraus.“
    De Montaigne lächelte zufrieden, als er das verdutzte Gesicht des Gelehrten sah. Er verriet ihm allerdings nicht, dass er ein wenig nachgeholfen und unter den Studenten hatte verbreiten lassen, dass der große Gedächtniskünstler Giordano Bruno aus Nola an diesem Morgen einen Einblick in seine übernatürlich anmutenden Fähigkeiten geben würde. Vielleicht war ja auch Magie im Spiel? Ein Zauberwort, das die Studenten erst recht früh aus den Federn und in den Hörsaal trieb. Magie war derzeit in aller Munde, und so mancher hatte sich auf die Suche nach dem Stein der Weisen gemacht. Die Vorlesungen in Alchemie waren überrannt, aber auch Astrologie und Astronomie erfreuten sich nicht nur an der Universität, sondern auch am Königshof größter Beliebtheit. Giordano

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