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Nacht des Orakels

Nacht des Orakels

Titel: Nacht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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und mach mit Flitcraft weiter. Du brauchst nur ein anderes Notizbuch, dann werden die Worte schon wieder kommen.
    J.   T.
     
    Er schob Brief und Scheck in einen Umschlag, klebte ihn zu und schrieb meinen Namen und meine Anschrift in Blockbuchstaben vorne drauf, aber ihm waren die Briefmarken ausgegangen, und daher gab Trause Madame Dumas, als sie um zehn Uhr abends seine Wohnung verließ, um nach Hause in die Bronx zu fahren, zwanzig Dollar mit und bat sie, am nächsten Morgen bei der Post vorbeizugehen und ihm einen neuen Vorrat an Briefmarken zu besorgen. Die immer verlässliche Madame Dumas erfüllte ihren Auftrag, und als sie am Montagvormittag um elf zurArbeit erschien, konnte John endlich eine Briefmarke auf den Brief kleben. Um eins brachte sie ihm ein leichtes Mittagessen. Nach der Mahlzeit setzte er die Korrekturarbeiten an seinem Roman fort, und als Madame Dumas um halb drei aus der Wohnung ging, um Lebensmittel einzukaufen, gab Trause ihr den Brief mit und bat sie, ihn unterwegs in einen Briefkasten zu werfen. Sie versprach, gegen halb vier wieder zurück zu sein, dann werde sie ihm die Treppe hinunter und in das Taxi helfen, das er bestellt hatte, um zu seinem Termin bei Dr.   Dunmore ins Krankenhaus zu fahren. Wir wissen nicht, was nach Madame Dumas’ Fortgang geschehen ist, schreibt Gillespie; fest stehe nur eins: Um viertel vor drei rief Eleanor an und teilte Trause mit, dass Jacob verschwunden sei. Er habe irgendwann in der Nacht die Klinik verlassen, seither habe niemand mehr etwas von ihm gehört. Gillespie zitiert Eleanors Aussage, John habe «äußerst erregt» reagiert und noch fünfzehn, zwanzig Minuten mit ihr gesprochen. «Er ist jetzt auf sich allein gestellt», habe John schließlich gesagt. «Wir können nichts mehr für ihn tun.»
    Das waren Trauses letzte Worte. Wir wissen nicht, was mit ihm passiert ist, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, aber als Madame Dumas um halb vier zurückkam, fand sie ihn auf dem Boden neben seinem Bett. Das scheint darauf hinzudeuten, dass er ins Schlafzimmer gegangen war, um sich für seinen Termin bei Dunmore umzuziehen, aber das ist lediglich eine Vermutung. Sicher ist nur, dass er am 27.   September 1982 irgendwann zwischen drei und halb vier gestorben ist – keine zwei Stunden nachdem ich die Reste des blauen Notizbuchs an einer Straßenecke in South Brooklyn in einen Papierkorb geworfen hatte.
    Als Todesursache wurde zunächst ein Herzinfarkt vermutet, aber nach eingehender Untersuchung diagnostizierte der Leichenbeschauer eine Lungenembolie. Das Blutgerinnsel, das John in den vergangenen zwei Wochen im Bein gesteckt hatte, hatte sich losgelöst, den Weg durch den Organismus nach oben angetreten und schließlich sein Ziel gefunden. Die kleine Bombe war am Ende doch hochgegangen, und mein Freund war gestorben. Mit sechsundfünfzig. Zu früh. Um dreißig Jahre zu früh. Zu früh, als dass ich ihm noch dafür hätte danken können, dass er mir das Geld geschickt und versucht hatte, mein Leben zu retten.

 
    Johns Tod wurde am Schluss der Lokalnachrichten um 18   Uhr gemeldet. Unter normalen Umständen hätten Grace und ich, während wir den Tisch fürs Abendessen deckten, den Fernseher laufen lassen, aber wir hatten keinen Fernseher mehr und verbrachten daher den Abend, ohne zu wissen, dass John in der städtischen Leichenhalle lag, ohne zu wissen, dass sein Bruder Gilbert sich bereits auf dem Flug von Detroit nach New York befand, ohne zu wissen, dass Jacob untergetaucht war. Nach dem Essen gingen wir ins Wohnzimmer, legten uns aufs Sofa und sprachen über Graces bevorstehenden Termin bei Dr.   Vitale, einer Geburtshelferin, die uns von Betty Stolowitz, die im März ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte, empfohlen worden war. Der Besuch war für Freitagnachmittag geplant, und ich sagte Grace, dass ich sie dorthin begleiten wolle und um sechzehn Uhr in die Praxisan der West Ninth Street kommen werde. Als wir diese Dinge besprachen, fiel Grace plötzlich ein, dass Betty ihr am Morgen einen Schwangerschaftsratgeber mitgegeben hatte – ein dickes Taschenbuch voller Tabellen und Abbildungen; jetzt sprang sie vom Sofa und ging ins Schlafzimmer, um es aus ihrer Schultertasche zu holen. Kaum war sie verschwunden, klopfte jemand an die Wohnungstür. Ich nahm an, es sei ein Nachbar, der sich eine Taschenlampe oder Streichhölzer ausleihen wollte. Jemand anderes konnte es nicht sein, da die Haustür unten immer verschlossen war und Besucher ohne

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