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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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heran. Ich stelle fest, daß er Bauch angesetzt hat und sein Anzug eleganter ist als der, den ich an ihm kenne. Sein Aufstieg scheint bereits erste Früchte getragen zu haben.
    »Was suchst du denn hier?« Er schält sich ächzend aus seinem Sitz heraus.
    »Ich habe gestern abend hier in der Gegend den Mut verloren. Ich will mal sehen, ob ich noch einen Rest davon wiederfinde.«
    »Es ist doch immer wieder ein Vergnügen, dich zu sehen, Brahim. Gerade eben ist mir dein Inspektor Serdj über den Weg gelaufen, ich habe mich bei ihm nach dir erkundigt. Er hat mir gesagt, daß du fünf Minuten, bevor ich kam, nach Hause gefahren bist.«
    »Dann bist du seit vier Uhr hier?«

»Wir alle sind seit Ewigkeiten hier. Immerhin war Haj Thobane die Zielscheibe, mein Lieber. Wenn ein hohes Tier von seinem Kaliber angegriffen wird, löst das Großalarm im ganzen Land aus. Der Minister ist gerade wieder verduftet. Er hat persönlich die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen in die Wege geleitet. Alle Dienste sind in Alarmbereitschaft, und die Patrouillen durchkämmen die Stadt. Ganz unter uns, das ist eine wunderbare Übung. So lange, wie wir schon Däumchen drehen, da kann es nichts Besseres geben als so einen Mordsschreck, der uns wieder auf Trab bringt. Na, und wie geht's dir?«
    »Den Umständen entsprechend.«
    Er packt mich am Arm und zieht mich weg von unerwünschten Lauschern. »Was ist das für eine Geschichte, Brahim?«
    »Keine Ahnung.«
    »Es ist das erste Mal, daß ein solcher Anschlag auf einen Nationalheiligen verübt worden ist.«
    »Da man das OBS herangezogen hat, liegen die Ermittlungen vermutlich nicht mehr in der Kompetenz der Zentrale.«
    »Glaubst du denn, Haj Thobane würde die Angelegenheit dem Fußvolk überlassen? Man hat nicht nur das OBS mobilisiert; um die Wichtigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, ist auch der Chef der Ermittlungsbehörde in der Villa, damit er sich dem Zai'm vor die Füße werfen kann. Vor einer Stunde hab ich gesehen, wie er rauskam und seine Leute abgekanzelt hat, na, ich kann dir sagen. Er wird wohl gerade die schlimmste Viertelstunde seiner vermaledeiten Karriere durchmachen.«
    »Wenn man sieht, was für Geschütze aufgefahren werden, kann man nur hoffen, daß die Dinge vorangehen.«
    »Es gibt noch keine Bestätigung, aber anscheinend hat man gerade einen Tatverdächtigen festgenommen. Die Männer von der Ermittlung haben nicht weit von hier einen Frauenstrumpf gefunden. Vermutlich ist das die Maske, die der Mörder bei dem Überfall trug. Die Patronenhülsen, die am Tatort sichergestellt wurden, stammen von einer 9-mm-Beretta, vom selben Typ also, mit dem die Polizei ausgerüstet ist.«
    »Sind meine Leute immer noch da?«
    »Man hat sie nach Hause geschickt. Das hier ist eine Staatsaffäre. Wir haben bisher keine klaren Anweisungen erhalten, aber ganz eindeutig wird das OBS unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten der Ermittlungsbehörde die Sache in die Hand nehmen.«
    »Ich vermute, daß ich mich hier nicht mehr allzu lange rumtreiben sollte.«
    »Es gibt keinen zwingenden Grund.«
    »So ein Glück!« sage ich mißmutig. »Dann kann ich ja heute nachmittag in die Moschee gehen.«
    »Du kannst genausogut ein Nickerchen machen, wenn du willst.«
     
    Die Atmosphäre, die in der Zentrale herrscht, ist das komplette Gegenteil zum geschäftigen Treiben im Chemin des Lilas. Eine bedrückende Ruhe lastet auf dem Gebäude. Anstatt mich zu grüßen, schnürt der wachhabende Polizist am Eingang lieber seine Stiefel zu. Auf den Fluren kein Kommen und Gehen.
    Sicher, es ist Freitag, aber man muß es ja nicht übertreiben. Meine Schritte hallen wie dumpfe Gewehrschüsse durch die Korridore.
    Ich stoße die erstbeste Tür auf. Die kleinen Bürowichte sind noch da und hocken vor ihren Schreibmaschinen.
    »Wie geht's?«
    »Gut, warum sollte es auch nicht gutgehen, Kommissar?« bekomme ich zur Antwort.
    Na schön! Ich schließe die Tür hinter mir und gehe etwas entspannter auf den Trakt zu, in dem mein Büro liegt.
    Baya ist im Urlaub und wird von einem jungen Praktikanten vertreten. Da er sehr ehrgeizig ist, zerbricht er sich den Kopf über einem Kreuzworträtsel in der Zeitung. Als er mich auftauchen sieht, springt er wie eine Feder in die Höhe und reißt dabei fast die Regale hinter sich um.
    »Sachte, sachte, mein Sohn. Du bist hier nicht zu Hause, und unsere Finanzen reichen nicht mal mehr für den Morgenkaffee.«
    »Tut mir leid, Kommissar.«
    Als ich merke, daß er

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