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Nacht über Algier

Nacht über Algier

Titel: Nacht über Algier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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ich gerade einem Attentat entkommen bin. Jemand will meinen Kopf. Ist Ihnen das klar?«
    »Absolut, Monsieur.«
    »Scheint aber nicht so.« Haj Thobane verzieht den Mund zu einer gierigen Grimasse, als wolle er den Direx gleich verschlingen. Der duckt sich und weiß nicht, wohin er sich verkriechen soll. Die Sphinx bedeutet ihm mit einer Handbewegung, sich still zu verhalten.
    Entsetzt bemerkt Thobane Ghali Saads Hand auf seiner Schulter. »Pfoten weg. Weil so ein Schweinehund es gewagt hat, sich mit mir anzulegen, ist das noch lange kein Grund, daß mich alle Welt mit Mitleid überschüttet ... Der Kerl ist jedenfalls geliefert. Und wenn er sich in der Hölle verschanzt, ich werde ihn zu fassen kriegen. Wo bleibt denn dieses Arschloch von Minister?« brüllt er und wirft dabei sein Glas gegen die Wand. »Hat ihn seine Mutter noch nicht rausgebracht, oder was?«
    »Er ist unterwegs«, stammelt Ghali Saad versöhnlerisch. »Er wird jeden Moment kommen.«
    »Ich verlange, daß die gesamte Polizei auf diesen Schweinehund angesetzt wird. Ich will seinen Kopf, und zwar noch vor dem Morgengrauen.«
    »Ich mache das zu meiner persönlichen Angelegenheit, Monsieur Thobane«, versichert die Sphinx. »Der Mörder wird in den nächsten Stunden dingfest gemacht, Sie können auf mich zählen.«
    Im ersten Stock öffnet sich eine Tür. Nedjma, die Geliebte des Milliardärs, erscheint auf dem Treppenabsatz. Sie ist in ein blutrotes Seidenkleid gehüllt, das ihren anmutigen Sirenenkörper wunderbar zur Geltung bringt.
    »War sie auch dabei?« frage ich ihn.
    Haj Thobane liebt das Schauspiel, das seine Schöne uns bietet, nicht. Er mustert sie von oben bis unten, aber sie zögert absichtlich den Moment hinaus, da sie wieder in ihrem Zimmer verschwindet.
    »Ich war mit meinem Fahrer allein. In dem Augenblick, als ich aussteigen wollte, springt ein Kerl wie ein Wahnsinniger hinter dem Gebüsch hervor und fängt an, seine Knarre auf Larbi zu entladen. Als erstes habe ich gesehen, wie die Windschutzscheibe zersprang. Anfangs dachte ich noch, ich wäre irgendwo gegengefahren oder hätte einen Betrunkenen erwischt. Es war stockdunkel. Irgend jemand muß die Laterne demoliert haben. Meine Straße ist immer beleuchtet, hier gibt es auch keine Stromsperren, darum kümmere ich mich persönlich. Erst als Larbis Kopf gegen meine Schulter sackte, habe ich kapiert, daß man auf uns geschossen hatte. Als ich ihn aufrichtete, war mir klar, daß ich nichts mehr für ihn tun konnte. Dieser Hurensohn hat ihm keine Chance gelassen.«
    »Können Sie den Täter beschreiben?«
    »Es ging alles so schnell. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, ob er groß oder klein war. Ich habe kaum seinen Schatten wahrgenommen. Er hat sich sofort aus dem Staub gemacht. Sein Kopf war rund und glatt, als wenn er einen Strumpf übergezogen hätte. Vielleicht ist das ein falscher Eindruck, ich bin überhaupt nicht sicher, aber es kam mir so vor.«
    Er dreht sich mit einem Ruck zur Sphinx um, die Augen weit aufgerissen. »In welchem Land befinden wir uns, Monsieur Hocine?«
    »Wir befinden uns in Algerien, Monsieur Thobane.«
    »Und seit wann sind bei uns nicht registrierte Feuerwaffen in Umlauf? Außer bei der Affäre Boulefred [ Boulefred war ein bekannter Betrüger, der in den sechziger Jahren agierte und unerhörtes Aufsehen erregte; er wurde von der Polizei erschossen], die Ende der sechziger Jahre die Klatschspalten füllte, wurde meines Wissens niemals auch nur ein einziger Gauner mit einer Knarre gefaßt. Herrschen hier jetzt etwa kolumbianische Verhältnisse?«
    »Dafür gibt es ganz sicher eine Erklärung, Monsieur Thobane.«
    »Es liegt in Ihrem Interesse, sie mir zu liefern.«
    »Sie werden sie bekommen.«
    In diesem Augenblick trifft der Innenminister ein. Er ist so außer sich, daß er mit dem Fuß am Teppich hängenbleibt und beinahe der Länge nach hinfällt.
    »Ich habe gerade von der schrecklichen Katastrophe gehört«, beginnt er mit feuerrot angelaufenem Gesicht. »Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt. Mein Gott, das ist doch nicht möglich! Wer wagt es, Haj Thobane anzugreifen?«
    »Die Frage sollten Sie mir beantworten, Reda. Sie und niemand anderes. Ansonsten verspreche ich Ihnen, daß man nie wieder von Ihnen hören wird.«
    Der Minister verstummt mit einem Schlag. Seine Gesichtsfarbe wechselt zu Aschgrau, seine Miene verfinstert sich. Sein Adamsapfel hüpft aufgeregt auf und ab. Angewidert von der Unterwürfigkeit der einen und der Nichtswürdigkeit der

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