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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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dich.«
    »Nun gut, ich werde es versuchen«, beharrte ich.
    Er lächelte dieses arrogante Casteelsche Lächeln, das ich auch von Drake kannte.
    »Luke Toby Casteel, du bist auch nicht allwissend.«
    Sein Gesicht wurde auf einmal weich und traurig wie das eines kleinen Jungen.
    »Ich weiß, was ich in meinem Herzen fühle und was du in deinem fühlst.«
    »Trotzdem werde ich es versuchen, und du solltest das auch tun«, wiederholte ich in nicht besonders überzeugendem Tonfall. Dann wandte ich mich von ihm ab, damit er meine Tränen nicht sehen konnte.
    Luke schlummerte während des restlichen Fluges, und ich starrte aus dem Fenster auf die winzigen Häuser und Straßen unter mir und wünschte mir erneut, wir würden in einer Tatterton-Spielzeugwelt leben, in der Träume wahr werden könnten.
    Am Flughafen in Boston mieteten wir uns einen Wagen und machten uns auf den Weg nach Farthy. Unwillkürlich mußte ich wieder an Tonys Aufregung während meiner ersten Fahrt nach Farthy denken, als ich gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Er war damals so glücklich gewesen und so erpicht darauf, mir zu helfen! Wie hätte ich mir jemals vorstellen können, welchen Verlauf die Dinge bald darauf nehmen würden? Wenn Mammi eine Möglichkeit gehabt hätte, mir mehr über ihre Vergangenheit zu erzählen, vielleicht hätte dann dieses ganze Elend vermieden werden können.
    Als wir Farthy erreichten, hatten sich die Trauergäste bereits vor dem Haus versammelt. Neben Miles, Curtis und Rye Whiskey waren Dutzende von Tonys Geschäftspartnern gekommen und viele Menschen, die für die Tatterton-Spielzeugfabrik arbeiteten. Die meisten waren schwarz gekleidet und unterhielten sich leise in kleinen Gruppen.
    Es war ein warmer, aber bewölkter Herbsttag; genau richtig für eine Beerdigung, fand ich. Alles sah noch trostloser aus als sonst, und die trübe Stimmung ließ deutlicher als je zuvor erkennen, wie heruntergekommen Farthinggale Manor war. Ich erinnerte mich daran, mit welchem Stolz Tony das Anwesen beschrieben hatte, als wir zum ersten Mal hier herausfuhren…
    das Haus seiner Vorfahren, das von jedem Tatterton, der es geerbt hatte, verbessert und vergrößert worden war! Es war eine Ironie des Schicksals, daß Tony zwar einen Erben hatte, der in seine Fußstapfen treten würde, mit dem ihn jedoch keine Blutsverwandtschaft verband. Denn Drake war der Sohn Luke Casteels, des Mannes, dem Tony seine eigene Tochter abgekauft hatte. Und jetzt hatte er, im wahrsten Sinne des Wortes, seinen Erben gekauft…
    Drake spielte seine Rolle ausgezeichnet. In einem schwarzen Anzug stand er vor dem Sarg. Sein Gesicht war feierlich und düster wie das eines Leichenbestatters. Die Leute, die er für die Beerdigung engagiert hatte, standen würdevoll um ihn herum und erwarteten seine Anweisungen. Andere wiesen die ankommenden Wagen ein, verteilten kleine Gebetbücher und Liedertexte.
    Luke reihte sich hinter den anderen Autos ein und blickte zu dem riesigen Haus auf. Doch jetzt waren unangenehme Erinnerungen an die Stelle all des Rätselhaften und Aufregenden getreten, das wir früher mit diesem alten, grauen Gebäude verbunden hatten. Die Fenster der Räume, die einst die meinen gewesen waren, sahen dunkel aus. Alle Vorhänge waren zugezogen; wie Spiegel reflektierten die Fensterscheiben den grauen, verhangenen Himmel.
    Die Hausangestellten kamen zuerst, um mich zu begrüßen.
    Curtis sah ganz verstört aus, seine Lippen bebten. Miles stand da wie betäubt, seine Augen starrten ins Leere. Sogar Rye sah auf einmal sehr müde aus. Der schmerzliche Verlust hatte ihn schnell altern lassen; er und Tony Tatterton hatten so viele Jahre miteinander verbracht.
    Kurz darauf kam Drake. Er ignorierte Luke und wandte sich ausschließlich an mich.
    »Wie geht es dir, Annie?«
    »Mir geht es gut, Drake.« Ich war entschlossen, mich so würdevoll zu verhalten, wie es sich bei einer solchen Begegnung für die Tochter meiner Mutter gehörte.
    »Es fängt gleich an.« Er kam noch näher an mich heran.
    »Weißt du, wer hier ist? Wer doch noch am Leben ist?«
    »Ja.«
    Überrascht starrte er mich an.
    »Du weißt es?«
    »Wenn du mir ruhig zugehört hättest, dann wäre ich in der Lage gewesen, dir zu erzählen, daß ich ihn hier getroffen habe und daß er es war, der Tante Fanny am Telefon riet, mich abzuholen. Aber du hast mich ja gleich mit Vorwürfen überhäuft, wie undankbar ich sei, und Luke der schrecklichsten Dinge bezichtigt.«
    »Aber warum hat er

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