Nacht über Juniper
auch Probleme. Ich habe Kosten. Ich kann meine nicht be- gleichen, wenn du deine nicht begleichst.« Er schlenderte durch den Schankraum und muster- te die Einrichtung. Shed wußte, was er dachte. Er wollte die Lilie haben. Wollte Shed so tief in der Klemme sehen, daß er den Betrieb aufgeben mußte. Red reichte Sheds Kasten an Krage weiter. Krage verzog das Gesicht. »Das Geschäft geht wirklich schlecht.« Er machte eine Handbewegung. Der große Mann namens Count packte Shed von hinten an den Ellbogen. Shed fiel beinahe in Ohnmacht. Krage grinste böse. »Filz ihn, Red. Sieh nach, ob er etwas zurückbehält.« Er leerte den Geldkasten aus. »Das wird mit dem Konto verrechnet, Shed.«
Red fand die Silberleva, die Raven Shed gegeben hatte. Krage schüttelte den Kopf. »Shed, Shed, du hast mich angelogen.« Count drückte ihm schmerzhaft die Ellbogen zusammen.
»Die gehört mir nicht«, begehrte Shed auf. »Die gehört Raven. Ich sollte Holz kaufen. Des- wegen wollte ich doch zu Latham gehen.«
Krage musterte ihn. Shed wußte, daß Krage wußte, daß er die Wahrheit sagte. Zum Lügen
hatte er nicht den Mumm.
Shed hatte Angst. Krage würde ihn vielleicht zusammenschlagen, damit er die Lilie aufgab, nur um sein Leben zu retten.
Und was dann? Dann würde er ohne einen Gersh dastehen mit einer alten Frau, um die er sich kümmern mußte.
Sheds Mutter verfluchte Krage. Niemand, nicht einmal Shed, achtete auf sie. Sie war harm- los. Darling stand wie festgefroren im Kücheneingang, hatte eine Faust vor den Mund gepreßt und einen flehentlichen Blick aufgesetzt. Dabei achtete sie mehr auf Raven als auf Krage und Shed.
»Was soll ich ihm brechen, Krage?« fragte Red. Shed krümmte sich. Red machte diese Ar- beit Spaß. »Du solltest uns nichts vorenthalten, Shed. Du solltest Krage nicht anlügen.« Er verpaßte ihm einen gemeinen Hieb. Shed japste auf und versuchte, sich nach vorn fallen zu lassen. Count hielt ihn aufrecht. Red schlug ihn ein zweites Mal. Eine leise kalte Stimme sagte: »Er hat die Wahrheit gesagt. Ich habe ihn losgeschickt, um Holz zu holen.«
Krage und Red wechselten die Stellung. Counts Griff lockerte sich nicht. »Wer bist du?« wollte Krage wissen.
»Raven. Laßt ihn in Ruhe.«
Krage wechselte einen Blick mit Red. Red sagte: »Ich glaube, daß du mit Herrn Krage nicht so reden solltest.«
Raven hob den Blick. Reds Schultern hoben sich wie zur Verteidigung. Dann fiel ihm wie- der ein, daß er Publikum hatte, er trat vor und holte mit der offenen Hand aus. Raven pflückte seine Hand aus der Luft und verdrehte sie. Red ging in die Knie; seinen zu- sammengepreßten Zähnen entfloh ein Wimmern. »Das war dumm«, sagte Raven. Erstaunt gab Krage zur Antwort: »Schlaue Menschen erkennt man an ihren Taten, Kumpel. Laß ihn los, solange du noch bei guter Gesundheit bist.« Zum ersten Mal, seit Shed ihn kannte, lächelte Raven. »Das war nicht schlau.« Ein hörbares Knacken erklang. Red schrie auf.
»Count!« stieß Krage hervor.
Count schleuderte Shed beiseite. Er war doppelt so groß wie Red, schnell, stark wie ein Berg und ungefähr genauso schlau. Niemand überlebte eine Runde mit Count. Ein neun Zoll langer Dolch tauchte in Ravens Hand auf. Count blieb so abrupt stehen, daß sich seine Füße verhedderten. Er fiel nach vorne und rollte von Ravens Tisch herunter. »Oh, Scheiße«, stöhnte Red. Jetzt würde jemand sterben. Krage würde das nicht durchgehen lassen. Das wäre schlecht fürs Geschäft.
Doch als Count aufstand, sagte Krage: »Count, kümmer dich um Red.« Seine Stimme klang
beiläufig, wie bei einer Unterhaltung.
Count wandte sich gehorsam Red zu, der sich zurückgezogen hatte und sein Handgelenk umklammerte.
»Vielleicht hat es hier ein kleines Mißverständnis gegeben«, sagte Krage. »Ich formuliere es ganz einfach. Du hast noch eine Woche, um mich auszuzahlen. Grundsumme und Zinsen.« »Aber…«
»Kein aber, Shed. Das entspricht der Vereinbarung. Bring jemanden um. Raub jemanden aus. Verkauf diese Bude. Aber beschaff das Geld.« Die Sätze, die mit ansonsten anfingen, mußten nicht ausgesprochen werden.
Es wird schon alles gutgehen, versicherte Shed sich selbst. Er wird mir nichts tun. Ich bin ein zu guter Kunde.
Wie zur Hölle sollte er das Geld aufbringen? Er konnte nicht verkaufen. Nicht wenn der Winter vor der Tür stand. Die alte Frau konnte auf der Straße nicht überleben. Kalte Luft wehte in die Lilie, als Krage in der Tür stehenblieb. Er starrte Raven böse an. Ra- ven machte sich
Weitere Kostenlose Bücher