Nacht unter Tag
dir. Du bist nicht Gabriel Porteous, musst du verstehen, mein Sohn. Du bist eigentlich Adam Maclennan Grant. Oder Adam Prentice, wenn dir das lieber ist.
Als das passierte, hätte ich wegen Catriona meine Frau verlassen, keine Frage. Ich wollte es tun und sagte es ihr.
Aber sie hatte noch nicht lange eine Beziehung hinter sich, die, mit Unterbrechungen, Jahre gehalten hatte. Sie war noch nicht bereit, mit mir zu leben, und wollte nicht noch eine weitere Auseinandersetzung mit ihrem Vater.
Ich glaube, niemand hatte auch nur einen Verdacht, dass wir einander kannten. Wir waren vorsichtig. Ich kam und ging immer durch den Wald, und alle wussten, dass ich Maler war, deshalb achtete niemand darauf, wenn ich umherstreifte.
Wir kamen überein, dass wir alles weiterhin so machen wollten wie bisher. An den meisten Tagen sahen wir uns, selbst wenn es nur zwanzig Minuten oder so waren. Und nach deiner Geburt verbrachte ich so viel Zeit mit euch beiden wie irgend möglich. Da war schon der Streik, und die Arbeit hielt mich nicht von euch fern.
Ich werde dich nicht nerven mit der ganzen Geschichte vom einjährigen Streik der Bergarbeiter, der die Gewerkschaft vernichtet und den Geist der Männer gebrochen hat. Es gibt jede Menge Bücher darüber. Lies GB 84 von David Peace, wenn du eine Vorstellung davon bekommen willst, wie es war. Oder hol dir die DVD Billy Elliot. Du brauchst nur zu wissen, dass jede Woche, die verging, meine Sehnsucht nach etwas anderem, nach einem Leben, in dem wir drei zusammen sein könnten, noch steigerte.
Als du ein paar Monate alt warst, hatte auch Catriona sich anders besonnen. Sie wollte, dass wir zusammenlebten, wollte irgendwo, wo niemand uns kannte, einen neuen Anfang machen. Das große Problem war, dass wir kein Geld hatten. Catriona konnte gerade so von ihren Glasarbeiten leben, und ich arbeitete überhaupt nicht wegen des Streiks. Sie konnte sich das Häuschen und das Studio nur leisten, weil ihre Mutter die Miete zahlte. Das war eine Art Druckmittel, damit Catriona in der Nähe blieb. Wir wussten also, ihre Mutter würde uns kein Geld geben, damit wir uns irgendwo anders einrichteten. Und wir konnten auch nicht bleiben. Wenn ich meine Frau und Tochter mitten im Streik verlassen hätte, um mit jemand anderem aus besseren Verhältnissen zusammenzuziehen, wäre das als noch schlimmer angesehen worden als Streikbrechen. Sie hätten uns Backsteine durch die Fenster geworfen. Ohne etwas Geld, mit dem wir einen Anfang machen konnten, waren wir also aufgeschmissen.
Doch Catriona hatte eine Idee. Als sie es zum ersten Mal erwähnte, dachte ich, sie hätte den Verstand verloren. Aber je häufiger sie davon sprach, desto mehr überzeugte sie mich, dass es funktionieren könnte. Die Idee war, dass wir eine Entführung vortäuschen würden. Ich sollte meine Familie verlassen, um mich bei Catriona zu verstecken und es so aussehen zu lassen, als sei ich als Streikbrecher weggegangen. Ein paar Wochen später würden du und Catriona verschwinden, und ihr Vater bekäme eine Lösegeldforderung. Alle würden glauben, ihr wärt entführt worden. Wir wussten, dass ihr Vater Lösegeld bezahlen würde, wenn nicht für sie, dann für dich. Ich sollte das Geld entgegennehmen, du und Catriona zu ihrer Familie zurückkehren, ein paar Wochen später würde Catriona dann mit dir wegziehen und sagen, dass sie wegen der Entführung zu beunruhigt sei, um weiter dort leben zu können. Und wir würden uns treffen und unser gemeinsames Leben beginnen.
Es hört sich einfach an, wenn man es so schnell heruntersagt. Aber es wurde kompliziert und misslang. Wie sich zeigte, hätte deine Mutter gar keine schlechtere Idee haben können, selbst wenn sie sich ihr ganzes Leben lang darum bemüht hätte.
Als wir die Einzelheiten zu planen begannen, wurde uns als Erstes klar, dass es mit uns beiden allein nicht machbar war. Wir brauchten noch ein Paar helfende Hände. Kannst du dir vorstellen, wie es war, jemanden zu finden, dem wir genug vertrauten, um ihn an einem solchen Plan zu beteiligen? Ich kannte niemanden, der ausreichend verrückt war, sich mit uns zusammenzutun, aber Catriona schon. Einer ihrer alten Freunde vom College of Art in Edinburgh, ein Typ, der Toby Inglis hieß. Einer dieser spleenigen Kerle aus der besseren Gesellschaft, der für alles zu haben war. Du hast ihn immer als Matthias, den Puppenspieler, gekannt. Der Mann, der dir diesen Brief übergeben haben wird. Und er ist übrigens immer noch ein verrückter
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