Nacht unter Tag
anzurufen?«
Phil stöhnte: »Ja, Karen. Wo er wohnt, ist es eine Stunde später. Warte bis morgen früh.«
»Nur wenn du versprichst, dass du mich ablenkst.«
Er drehte sie auf den Rücken. »Ich werde mein Bestes tun, Chefin.«
[home]
Mittwoch, 18. Juli 2007
K aren streckte sich in der Badewanne aus und genoss das doppelte Vergnügen von Schaum und Wasser auf ihrer Haut. Phil war beim Kricket, was, wie sie jetzt wusste, ein kurzes Spiel bedeutete, auf das ein langer Bierabend mit seinen Kumpeln folgte. Nachdem er reichlich getankt hatte, würde er, wenn die Kneipe schloss, nach Haus wanken, um heute dort zu übernachten. Es machte ihr nichts aus. Gewöhnlich traf sie sich mit Freundinnen und Kolleginnen zu einem Curry-Gericht und Tratsch. Aber heute Abend wollte sie allein sein. Sie erwartete einen Anruf und wollte ihn nicht in einem vollen Pub oder einem lauten Restaurant entgegennehmen. Sie wollte sicher sein, dass sie alles richtig verstand.
Fergus Sinclair hatte zunächst misstrauisch reagiert, als sie ihn aus heiterem Himmel angerufen und um eine DNA -Probe gebeten hatte. Ihre Argumentation war einfach gewesen: Ein Mann war aufgetaucht, der behauptete, Adam zu sein, und Karen war entschlossen, seine Vertrauenswürdigkeit jeder möglichen Prüfung zu unterziehen. Sinclair schwankte zwischen Zynismus und Begeisterung. In beiden Stimmungen war er überzeugt, dass er persönlich der beste Prüfstein sei, den es gab. »Ich werde es wissen«, beharrte er immer wieder. »Es ist ein Instinkt. Man kennt seine eigenen Kinder.«
Es war nicht der richtige Moment, ihm von Rivers Statistik zu erzählen, dass etwa zwischen zehn und zwanzig Prozent aller Kinder tatsächlich nicht der Nachwuchs der ihnen zugeordneten Väter waren. Und in den meisten dieser Fälle hatten die Väter keine Ahnung, dass sie den Nachwuchs nicht gezeugt hatten. Karen kam immer wieder darauf zurück, dass nur eine DNA -Analyse hieb- und stichfest sei. Endlich erklärte er sich bereit, zur Polizeistation in seiner Nähe zu gehen und eine DNA -Probe abzugeben.
Karen hatte den diensthabenden österreichischen Polizeibeamten überzeugen können, die Probe direkt per Kurier an River zu schicken. Die Makrone würde durchdrehen, wenn er die Rechnung sah, aber inzwischen kümmerte sie das nicht mehr. Um die Dinge zu beschleunigen, hatte sie di Stefano überredet, eine Kopie der DNA des italienischen Mörders an River zu mailen.
Und heute Abend würde sie es erfahren. Wenn aus der DNA hervorging, dass Fergus der Vater des italienischen Mörders war, hätte sie genug beisammen, um eine richterliche Anordnung zu bekommen, eine Probe von Adam zu nehmen. Nach schottischem Recht hätte sie ihn in U-Haft stecken und eine DNA -Probe fordern können, ohne ihn zu verhaften oder ihm etwas zur Last zu legen. Aber sie wusste, ihre Karriere würde vorbei sein, wenn sie versuchte, Adam Maclennan Grant wie jeden anderen Verdächtigen zu behandeln. Ohne eine richterliche Verfügung würde sie nicht in seine Nähe gehen. Aber wenn die DNA erst einmal aktenkundig war, konnte selbst Brodie Grants Macht ihn nicht aus den Klauen des Gesetzes befreien. Er würde für die Leben bezahlen müssen, die er zerstört hatte.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als das Telefon klingelte. River hatte gesagt, neun Uhr, aber jetzt war es kaum halb acht. Wahrscheinlich ihre Mutter oder eine ihrer Freundinnen, die sie überzeugen wollte, es sich anders zu überlegen und sich ihnen anzuschließen. Mit einem Seufzer streckte sich Karen und nahm den Hörer vom Telefon auf dem Hocker neben der Badewanne.
»Ich habe Fergus Sinclairs DNA -Analyse vor mir«, sagte River. »Und ich habe auch die von Capitano di Stefano.«
»Und?« Karen bekam kaum Luft.
»Eine weitgehende Übereinstimmung. Wahrscheinlich Vater und Sohn.«
[home]
Donnerstag, 19. Juli 2007,
Newton of Wemyss
D ie Stimme ist so sanft wie das Sonnenlicht, das durchs Fenster fällt. »Sag das noch mal.«
»Die Exfrau von Johns Cousin. Sie ist nach Australien gezogen. In die Nähe von Perth. Ihr zweiter Mann ist Bergbauingenieur oder so etwas.« Die Worte kommen jetzt so schnell, dass sie sich überschlagen, fast nur noch eine einzige stotternde Folge von Lauten.
»Und sie ist wieder hier?«
»Das sag ich dir doch.« Gereizte Worte in genervtem Ton. »Ein Klassentreffen nach fünfundzwanzig Jahren. Ihre Tochter Laurel ist sechzehn und begleitet sie im Urlaub. John hat sie beide vor zwei Wochen bei seiner Mutter getroffen.
Weitere Kostenlose Bücher