Nacht unter Tag
Alles dicht. Nichts, was Phils unmittelbar bevorstehender Beförderung oder ihrem eigenen Team schaden könnte.
Lees wedelte mit den Papieren und reichte sie Karen. »Hier, Inspector. Schicken Sie dies an Ihren Kollegen in Italien, und dann können wir einen Schlussstrich unter unsere gelösten Fälle ziehen.« Er lächelte Grant entgegenkommend an. »Ich bin froh, dass wir dies so zufriedenstellend klären konnten.«
»Ich meinerseits auch«, pflichtete Grant bei. »Es ist schade, dass wir uns nicht mehr sehen werden, Inspector.«
»Ja, wirklich. Passen Sie auf sich auf, Sir«, sagte sie und stand auf. »Sie sollten vorsichtig sein. Und Ihr Sohn auch. Es wäre tragisch, wenn Adam noch weitere Verluste erleiden müsste.« Kochend vor Wut, verließ Karen den Raum. Sie stürmte in ihr Büro zurück, bereit, loszuschimpfen. Aber Phil war nicht an seinem Platz, und niemand anderes war als Zuhörer geeignet. »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, murmelte sie und schlug gerade die Tür zu, als das Telefon zu läuten begann. Ausnahmsweise ignorierte sie es. Aber der Minzdrops steckte den Kopf durch die Tür. »Es ist eine Frau Gibson, sie will mit Ihnen sprechen.«
»Stellen Sie sie durch«, seufzte sie. »Hallo, Misha. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich wollte nur wissen, ob es etwas Neues gibt. Als Ihr Sergeant vor zwei Wochen vorbeikam, um mir zu sagen, Sie seien ziemlich sicher, dass mein Vater in diesem Jahr starb, sagte er, es könnte eine Möglichkeit geben, dass er Kinder hatte, die wir auf Übereinstimmung testen könnten. Aber dann habe ich nichts mehr von Ihnen gehört …«
Scheiße, Scheiße, Scheiße und noch mal Scheiße
. »Es sieht nicht besonders hoffnungsvoll aus«, gestand Karen. »Die betreffende Person weigert sich, Proben für DNA -Tests abzugeben.«
»Wie meinen Sie das, weigert sich? Versteht er nicht, dass hier das Leben eines Kindes auf dem Spiel steht?«
Karen spürte Mishas heftige Gefühle sogar am Telefon. »Ich glaube, er ist eher darauf aus, sich da rauszuhalten.«
»Sie meinen, es ist ein Krimineller? Das macht mir nichts aus. Begreift er denn nicht? Ich werde seine DNA -Ergebnisse niemand anderem geben. Wir können es vertraulich regeln.«
»Ich werde Ihre Bitte weiterleiten«, versprach Karen müde.
»Können Sie mir helfen, direkt mit ihm Kontakt aufzunehmen? Ich flehe Sie an. Das Leben meines kleinen Jungen steht doch auf dem Spiel. Mit jeder Woche, die vergeht, wird seine Chance geringer.«
»Ich weiß. Ich verstehe das. Aber mir sind die Hände gebunden. Es tut mir leid. Ich werde die Bitte weitergeben, ganz bestimmt.«
Als spüre sie Karens Frustration, änderte Misha ihre Haltung und wurde entgegenkommender. »Es tut mir leid. Ich bin Ihnen dankbar, wie sehr Sie zu helfen versucht haben. Ich bin einfach verzweifelt.«
Nach dem Anruf saß Karen da und starrte ins Leere. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Grant aus egoistischen Gründen einen Mörder schützte. Betrachtete man allerdings die Art und Weise, wie er seine eigene strafbare Handlung beim Tod seiner Tochter vertuscht hatte, war es nicht wirklich überraschend. Aber es musste doch einen Weg an diesem Hindernis vorbei geben. Sie und Phil waren in den letzten Wochen die Möglichkeiten schon so oft durchgegangen, dass es ihnen vorkam, als hätte das schon Spuren in ihrem Gehirn hinterlassen. Sie hatten darüber gesprochen, Adam zu überwachen, sich einer in der Öffentlichkeit weggeworfenen Coladose oder Wasserflasche zu bemächtigen. Sie hatten diskutiert, wie sie den Müll von Rotheswell stehlen und River so lange suchen lassen könnten, bis sie eine Entsprechung zu der italienischen DNA gefunden hatte. Aber sie hatten zugeben müssen, dass sie sich nicht einmal an Strohhalme, sondern höchstens an Schatten klammerten.
Karen lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und dachte daran, wie alles begonnen hatte. Misha Gibson, die sich verzweifelt an die letzte Hoffnung klammerte und bereit war, alles für ihr Kind zu tun. Genau wie Brodie Grant für seinen Enkel. Die Bande zwischen Eltern und Kindern … Und da hatte sie es plötzlich. Großartig, schlau und wundervoll ironisch.
Karen schoss so schnell vom Stuhl hoch, dass er fast umfiel, und packte den Telefonhörer. Sie tippte River Wildes Nummer ein und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Als River abnahm, konnte sie kaum in klaren Sätzen sprechen. »Hör zu, mir ist gerade eine Idee gekommen. Wenn man Halbgeschwister hat, da könnte man doch
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