Nacht unter Tag
Fall wieder aufgerollt, und ich kann unmöglich zwei Leute auf etwas ansetzen, das uns höchstens im negativen Sinn weiterbringen würde.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Ich weiß, wie das ist. Aber Sie haben heute Glück, Karen. Am Montag haben wir zwei neue Durchläufer bekommen, und mit so etwas kann ich sie einarbeiten. Nicht zu kompliziert oder knifflig.«
Karen gab ihm die Namen der Männer. »Einer meiner Leute sucht nach den letzten bekannten Adressen. Sobald er etwas hat, wird er sie per E-Mail schicken.« Noch ein paar Einzelheiten, und sie war fertig. Wie auf Kommando kam Phil Parhatka mit einem Schinkenbrötchen ins Büro zurück, von dem starke Signale direkt an Karens Lustzentrum im Gehirn ausgingen. »Mmm«, stöhnte sie, »mein Gott, riecht das himmlisch.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass du zurück bist, hätte ich dir eins mitgebracht. Hier, wir teilen es uns.« Er nahm ein Messer aus seiner Schublade und schnitt das Brötchen in der Mitte durch, wobei ihm Ketchup über die Finger lief. Er gab ihr eine Hälfte und leckte sich die Finger ab. Was konnte eine Frau mehr von einem Mann verlangen?, fragte sich Karen.
»Was wollte die Makrone denn?«, erkundigte sich Phil.
Karen biss in das Brötchen und antwortete mit einem Stück süßem Brötchen und salzigem Schinken im Mund: »Neue Entwicklung im Fall Catriona Maclennan Grant.«
»Wirklich? Was ist passiert?«
Karen grinste. »Ich weiß es nicht. Seine Majestät Brodie geruhte, es der Makrone nicht mitzuteilen. Er sagte ihm nur, er solle mich morgen früh bei ihm vorbeischicken. Ich muss mich also schleunigst schlaumachen. Die Unterlagen habe ich schon angefordert, will aber erst online nachsehen. Hör mal …« Sie zog ihn etwas zur Seite. »Die Sache mit Mick Prentice. Ich muss am Samstag mit jemandem reden, und natürlich macht der Minzdrops samstags keinen Handschlag. Könnte ich dich vielleicht überreden mitzukommen?«
»Wohin mitzukommen?«
»Zu den Höhlen bei Wemyss.«
»Wirklich?« Phil lebte auf. »Dürfen wir hinter die Zaungitter?«
»Nehme ich an«, meinte Karen. »Ich wusste nicht, dass dich die Höhlen so interessieren.«
»Karen, ich war doch mal ein kleiner Junge.«
Sie rollte die Augen. »Das stimmt wohl.«
»Außerdem gibt es in den Höhlen wirklich tolle Sachen. Schriftzeichen und Bilder von den Pikten. Eingeritzte Zeichnungen aus der Eisenzeit. Ich find es toll, mir vorzustellen, ich könnte mir als Fliege an der Wand die Dinge anschauen, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt. Klar komm ich mit. Hast du den Fall schon angemeldet?«
Karen schien verlegen. »Ich will erst sehen, wie er sich entwickelt. Es waren harte Zeiten in der Gegend hier. Wenn Mick Prentice etwas Schlimmes zugestoßen ist, will ich der Sache auf den Grund gehen. Und du weißt ja, wie die Medien ihre Nase immer in alles reinstecken, was wir in der Abteilung für ungelöste Fälle machen. Ich habe das Gefühl, bei dem hier hätten wir eine bessere Chance, herauszufinden, was sich abgespielt hat, wenn wir damit erst mal nicht an die Öffentlichkeit gehen.«
Phil aß sein Brötchen auf und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »In Ordnung. Du bist die Chefin. Pass nur auf, dass dir die Makrone daraus keinen Strick dreht.«
»Ich werd mich schon absichern. Hör mal, hast du im Moment zu tun?«
Er warf die leere Tüte weit ausholend in den Papierkorb und war sehr stolz, dass er genau in die Mitte traf. »Nichts, das ich nicht kurz liegenlassen könnte.«
»Sieh mal zu, was du über einen Burschen rausfinden kannst, der Andy Kerr heißt. Er war während des Streiks Funktionär der Bergarbeitergewerkschaft und lebte in einem Häuschen mitten im Wald von Wemyss. Ungefähr zu der Zeit, als Mick verschwand, war er wegen Depressionen krankgeschrieben. Angeblich hat er sich umgebracht, aber die Leiche wurde nie gefunden.«
Phil nickte. »Ich werd mal zusehen, was ich finden kann.«
Als er an seinen eigenen Schreibtisch zurückging, hatte Karen schon Catriona Maclennan Grant bei Google eingegeben. Der erste Treffer war ein vor zwei Jahren in einer Boulevardzeitung veröffentlichter Artikel, in dem man am zwanzigsten Todestag der jungen Künstlerin gedachte. Nach dem Lesen der ersten drei Absätze traf es Karen wie ein Schlag vor die Brust. »Es ist erstaunlich, wie wenige Leute es gibt, die man zu diesem Fall befragen kann«, las sie da. »Cat Grants Vater hat nie mit der Presse darüber gesprochen, was passiert ist. Ihre Mutter
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