Nacht unter Tag
aufrecht, auch als sie in Schweden war?«
Grant schien plötzlich müde zu werden und ließ sich auf den Sessel gegenüber von Bel fallen. »Sie waren sich sehr nah. Als Kinder waren sie Spielgefährten. Ich hätte das unterbinden sollen, aber es kam mir nie in den Sinn, dass sich daraus jemals etwas entwickeln könnte. Sie waren so unterschiedlich. Cat mit ihrer Kunst und Sinclair, der keine größeren Ambitionen hatte, als seinem Vater als Verwalter nachzufolgen. Sie kamen aus verschiedenen sozialen Schichten und hatten verschiedene Ziele. Meiner Ansicht nach war das Einzige, was sie verband, das Leben an ein und demselben Ort. Nun ja, wenn sie in den Ferien nach Haus kam und er auch da war, taten sie sich eben zusammen. Sie machte kein Geheimnis daraus, obwohl sie wusste, was ich von Sinclair hielt. Ich hoffte immer, sie würde jemanden kennenlernen, den sie verdient hatte, aber das geschah nicht. Sie kehrte immer wieder zu Sinclair zurück.«
»Und trotzdem haben Sie seinen Vater nicht entlassen? Ihn vom Gut entfernt?«
Grant sah sie schockiert an. »Großer Gott, nein. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es ist, einen Verwalter zu finden, der so gut wie Willie Sinclair ist? Sie könnten mit hundert Männern Vorstellungsgespräche führen, ohne einen wie ihn mit so viel Sinn für Vögel, Feld und Wald zu finden. Außerdem ist er ein anständiger Mann. Er wusste, dass sein Sohn Cat nicht ebenbürtig war, und schämte sich, dass er Fergus nicht daran hindern konnte, Cat nachzulaufen. Er wollte ihn aus dem Elternhaus verbannen, aber seine Frau ließ das nicht zu.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich kann nicht sagen, dass ich ihr daraus einen Vorwurf mache. Frauen sind ihren Söhnen gegenüber immer nachgiebig.«
Bel versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Sie hatte angenommen, dass Grant sich von absolut nichts aufhalten lassen würde, wenn es um seine Tochter ging. Er war anscheinend vielschichtiger, als sie ihm zugetraut hatte. »Was ist passiert, nachdem sie aus Schweden zurückgekommen war?«
Grant fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Es war nicht schön. Sie wollte ausziehen. Ihr eigenes Studio mit angeschlossenen Wohnräumen eröffnen, wo sie arbeiten und ihre Sachen verkaufen konnte. Sie hatte ein Auge auf zwei Immobilien im Landbesitz von Wemyss Estate geworfen. Ich sagte, die Voraussetzung für meine Unterstützung sei, dass sie sich nicht mehr mit Sinclair treffe.« Zum ersten Mal sah Bel bei ihm Traurigkeit hinter dem brodelnden Zorn aufkommen. »Das war dumm von mir. Mary hat mir das schon damals gesagt, und sie behielt recht. Beide waren wütend auf mich, aber ich gab nicht nach. Also ging Cat ihren eigenen Weg. Sie sprach mit den Besitzern von Wemyss Estate und mietete ein Anwesen von ihnen. Ein altes Pförtnerhaus mit einem ehemaligen Holzlagerschuppen an der Durchgangsstraße, aber ein Stück zurückgesetzt. Perfekt für Kundenverkehr. Mit einer Parkfläche vor den alten Toren, einem Studio mit Ausstellungsraum und hinter den Mauern versteckten Wohnräumen. So ungestört, wie man es sich nur wünschen konnte. Und alle wussten Bescheid. Catriona Maclennan Grant war zum Wemyss Estate gegangen, um ihren Alten Herrn zu ärgern.«
»Wenn sie eigentlich Ihre Unterstützung brauchte, wie hat sie das dann alles bezahlt?«, wollte Bel wissen.
»Ihre Mutter hat das Studio eingerichtet, die Miete fürs erste Jahr gezahlt und die Küche mit Vorräten ausgestattet, bis Cat ihre ersten Werkstücke verkaufen konnte.« Er konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Was nicht lange dauerte. Sie war gut, wissen Sie. Sehr gut. Und ihre Mutter sorgte dafür, dass all ihre Freunde bei ihr Hochzeits- und Geburtstagsgeschenke kauften. Nie war ich wütender auf Mary gewesen als damals. Ich war empört, fühlte mich sabotiert und missachtet, und da war es dann auch nicht gerade hilfreich, dass der verdammte Sinclair von der Universität zurückkam und da weitermachte, wo er aufgehört hatte.«
»Haben sie zusammengelebt?«
»Nein. Cat war klug genug, das nicht zu tun. Wenn ich zurückschaue, glaube ich manchmal, dass sie sich nur weiterhin mit ihm traf, um mich zu kränken. Es ging aber nach der Einrichtung des Studios nicht mehr lange gut. Es war praktisch vorbei, ungefähr achtzehn Monate bevor … bevor sie starb.«
Bel rechnete im Kopf nach und kam zu einem falschen Ergebnis. »Aber Adam war doch erst sechs Monate alt, als sie entführt wurden. Wie konnte Fergus Sinclair sein Vater sein, wenn Cat sich
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