Nacht unter Tag
gelegt wird. Aber alle, die irgendwelches Geld sammeln, müssen Andy das mitteilen, und er schreibt es in einem kleinen Buch auf.«
Maclean nickte. »Ich erinnere mich, dass ich ihm sagen musste, wie viel wir eingenommen hatten, als wir im Sommer die Straßensammlungen gemacht haben.«
Mick machte eine kurze Pause und starrte auf die Linie, wo das Meer aufs Land traf. »Ich war neulich abends bei Andy. Das Büchlein lag auf dem Tisch. Als er aufs Klo ging, hab ich mal kurz reingeschaut. Und die Spende von Lundin Links war nicht drin.«
Maclean zog so rasch an seiner Angelschnur, dass er den Fisch verlor. »Scheiße«, fluchte er und rollte sie wütend auf. »Vielleicht war Andy etwas hinten dran mit dem Aufschreiben.«
»Ich wünschte, es wäre so einfach. Aber das ist es nicht. Die letzten Eintragungen hat Andy vier Tage nach Übergabe des Geldes gemacht.«
Maclean warf die Angelrute auf die Steinplatten zu seinen Füßen. Er spürte, wie ihm stechende Tränen in die Augen traten. »Das ist eine verdammte Schweinerei. Und du erwartest, dass ich Schuldgefühle habe, weil ich nach Nottingham gehen will? Zumindest gibt es dort ehrliche Arbeit für ehrliche Bezahlung, und es ist kein Diebstahl. Ich kann’s nicht fassen.«
»Ich konnte es auch nicht glauben. Aber wie kann man es sich sonst erklären?« Mick schüttelte den Kopf. »Und so ein Kerl bekommt noch Lohn.«
»Wer ist es?«
»Ich sollte es dir nicht sagen. Nicht bis ich entschieden habe, was ich machen werde.«
»Es ist doch klar, was du tun musst. Du musst es Andy erzählen. Wenn es eine harmlose Erklärung gibt, wird er wissen, welche.«
»Ich kann’s Andy nicht sagen«, widersprach Mick. »Herrgott noch mal, am liebsten würd ich manchmal aus diesem ganzen beschissenen Schlamassel aussteigen. Einen Schlussstrich ziehen und irgendwo anders noch einmal von vorn anfangen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann’s Andy nicht erzählen, Iain. Er hat sowieso schon Depressionen. Wenn ich ihm das sage, könnte es ihm den Rest geben.«
»Dann wende dich eben an jemand anders. Jemand vom Bezirksbüro. Du musst den Scheißkerl überführen. Wer ist es? Sag es mir. In zwei Wochen bin ich doch fort. Wem sollte ich’s schon weitersagen?« Maclean verspürte den brennenden Wunsch, es zu erfahren. Diese Sache war ein weiterer Grund, der helfen konnte, ihn zu überzeugen, dass er richtig handelte. »Sag es mir, Mick.«
Der Wind blies Mick die Haare in die Augen und ersparte ihm den Anblick von Macleans Verzweiflung. Aber das Bedürfnis, seine Last zu teilen, war doch zu stark, um es ignorieren zu können. Er strich das Haar zurück und sah seinem Freund in die Augen. »Ben Reekie.«
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Freitag, 29. Juni 2007,
Glenrothes
K aren musste zugeben, dass sie beeindruckt war. Das Team in Nottingham hatte nicht nur tolle Arbeit geleistet, sondern PC Femi Otitoju hatte auch ihren Bericht in Rekordzeit fertiggestellt und per E-Mail geschickt. Karen dachte allerdings, an ihrer Stelle hätte sie wahrscheinlich das Gleiche getan. Bei der Qualität der Information, die sie und ihr Partner gewinnen konnten, wäre jeder, der für eine gewisse Zeit als Durchläufer bei der Kripo war, verzweifelt bemüht gewesen, das Beste daraus zu machen.
Und hier gab es ja wirklich etwas, aus dem man etwas machen konnte. PC Otitoju und ihr Partner hatten herausgefunden, wer die Sache dadurch noch verworrener gemacht hatte, dass er Geld von Nottingham an Jenny Prentice schickte. Und entscheidend war, dass von ihr auch die erste mögliche Antwort auf die Frage gekommen war, wem es recht gewesen wäre, Mick Prentice von hinten zu sehen. Die Wogen der Erregung schlugen damals schon hoch, und die Gewerkschaft wurde an vielen Orten immer unbeliebter. Gewalt war schon so oft ausgebrochen, dass man die Vorfälle nicht mehr hatte zählen können, und nicht immer ging es um Zusammenstöße von Polizei und Streikenden. Das Feuer, mit dem Mick Prentice gespielt hatte, hatte ihn vielleicht verschlungen. Wenn er Ben Reekie mit dem konfrontiert hatte, was er wusste; wenn Ben Reekie dessen schuldig war, was er ihm anlastete; und wenn Andy Kerr wegen seiner Verbindung zu den beiden anderen in die Sache mit hineingezogen worden war, war das ein Motiv, beide Männer, die dann zur gleichen Zeit verschwanden, loswerden zu wollen. Vielleicht hatte Angie Kerr in Bezug auf ihren Bruder recht gehabt. Vielleicht hatte er sich gar nicht umgebracht. Vielleicht waren Mick Prentice und Andy Kerr beide Opfer eines
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