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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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heute haben wir etwas anderes erfahren.«
    Maclean kratzte die silbrigen Stoppeln seines sauberen Bürstenschnitts. »Ja. Ich hatte das von den Leuten in Newton gehört. Es zeigt nur, wie leicht sie bereit sind, das Schlimmste anzunehmen. Es war doch unmöglich, dass Mick sich uns anschließen würde. Ich verstehe nicht, wie irgendjemand, der ihn kannte, das glauben konnte.«
    »Sie haben ihnen nicht widersprochen?«
    »Was sollte das bringen? Ihrer Ansicht nach bin ich ein dreckiger Streikbrecher. Nichts, was ich zur Verteidigung von irgendjemand zu sagen habe, würde in Newton geglaubt werden.«
    »Um fair zu sein, es geht nicht nur um vorschnelle Schlüsse. Seine Frau bekam, seit er wegging, hin und wieder Geld geschickt. Mit Poststempel von Nottingham. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb alle dachten, er hätte das Undenkbare getan.«
    »Ich kann es nicht erklären. Aber ich sage Ihnen: Mick Prentice konnte genauso wenig Streikbrecher werden wie zum Mond fliegen.«
    »Alle sagen uns das immer wieder«, sagte Mark. »Aber wenn die Menschen verzweifelt sind, tun sie Dinge, die nicht zu ihnen zu passen scheinen. Und nach allem, was man hört, war Mick Prentice verzweifelt.«
    »Aber nicht so verzweifelt.«
    »Sie selbst haben’s doch getan.«
    Maclean starrte in seinen Kaffee. »Ich hab’s getan. Und ich hab mich in meinem ganzen Leben nie so geschämt. Aber meine Frau war mit unserem dritten Kind schwanger. Ich wusste, es ging einfach nicht, bei diesem Leben noch ein Kind durchzufüttern. Also tat ich das, was ich getan habe. Ich habe es vorher mit Mick besprochen.« Er warf Mark einen schnellen Blick zu. »Wir waren Freunde, er und ich. Wir sind zusammen in die Schule gegangen. Ich wollte ihm erklären, warum ich es tun wollte.« Er seufzte. »Er sagte, er könnte verstehen, warum ich entschlossen war zu gehen. Dass er auch aussteigen wollte. Aber Streikbrechen, das war nichts für ihn. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist, aber ich wusste mit Sicherheit, dass er nicht in eine andere Zeche ging.«
    »Wann haben Sie erfahren, dass er verschwunden war?«
    Er verzog das Gesicht beim Nachdenken. »Schwer zu sagen. Ich glaube, es war vielleicht, als meine Frau zu mir runterkam. Das heißt also, etwa im Februar. Aber es könnte auch später gewesen sein. Meine Frau hat noch Verwandte in Wemyss. Wir gehen nicht da hin. Wir wären dort nicht willkommen. Die Leute haben ein gutes Gedächtnis, wissen Sie? Aber wir halten den Kontakt, und manchmal kommen sie uns besuchen.« Der Anflug eines schwachen Lächelns huschte über sein Gesicht. »Der Neffe meiner Frau studiert hier unten an der Universität. Er hat fast das zweite Jahr abgeschlossen. Dann und wann kommt er zum Essen vorbei. Doch, ja, ich hab gehört, dass Mick vermisst wurde, aber ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, wann ich’s erfahren habe.«
    »Wo, meinen Sie, ist er hingegangen? Was ist Ihrer Meinung nach passiert?« In seinem Eifer vergaß Mark die Grundregel, nur eine Frage auf einmal zu stellen. Maclean beachtete alle beide nicht.
    »Wieso sind Sie plötzlich so interessiert an Mick?«, wollte er wissen. »Niemand hat in all den Jahren nach ihm gesucht. Was macht die Sache jetzt so wichtig?«
    Mark erklärte, warum Misha Gibson ihren Vater endlich als vermisst gemeldet hatte. Maclean rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her, und sein Kaffee schwappte ihm über die Finger. »Das ist ja furchtbar. Ich erinnere mich noch an Misha selbst als kleines Mädchen. Ich wünschte, ich könnte helfen. Aber ich weiß nicht, wohin er gegangen ist«, erklärte er. »Wie gesagt, ich hab nicht die Spur von ihm gesehen, seit ich aus Newton weg bin.«
    »Haben Sie von ihm gehört?«, mischte sich Otitoju ein.
    Maclean sah sie kurz scharf an. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte so ungerührt wie Mount Rushmore. »Kommen Sie mir bloß nicht zu schlau, mein Täubchen. Nein, ich habe nichts von ihm gehört. Soweit ich weiß, könnte Mick Prentice an dem Tag, als ich hier runtergekommen bin, vom Planeten gefallen sein. Und genau das hatte ich erwartet.«
    Mark wollte die Verbindung wiederherstellen und versuchte, zustimmend zu klingen. »Das kann ich verstehen«, begann er. »Aber was, glauben Sie, ist mit Mick passiert? Sie waren sein Freund. Wenn irgendjemand eine Antwort geben kann, dann wären Sie es.«
    Maclean schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Und wenn Sie eine Vermutung wagen sollten?«
    Wieder kratzte er sich am Kopf. »Ich sag

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