Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
sich gegenseitig verdrängen. So war’s auch mit uns. Mick in der Mitte, der immer versuchte, den Frieden zu retten. Er konnte das auch gut, war einfallsreich und fand immer Wege, wie er uns beide bei guter Laune halten konnte. Nie ließ er einen von uns die Oberhand gewinnen. Oder jedenfalls nicht für längere Zeit.«
    Mark sah, dass Maclean sich entspannte, als er sich an die relative Ungezwungenheit dieser frühen Jahre erinnerte. »Ich weiß genau, was Sie meinen«, erklärte er leise.
    »Wir blieben jedenfalls alle Freunde. Ich und meine Frau gingen mit Mick und Jenny aus. Er und Andy spielten Fußball zusammen. Wie gesagt, er konnte gut Dinge finden, die uns beiden das Gefühl gaben, dass wir ein bisschen etwas Besonderes waren. Zwei Wochen bevor ich hier runterkam, verbrachten wir einen Tag miteinander. Wir gingen zum Hafen von Dysart hinüber. Er stellte seine Staffelei auf und malte, und ich angelte. Ich sagte ihm, was ich vorhatte, und er versuchte, es mir auszureden. Aber ich merkte, dass er nicht richtig bei der Sache war. Deshalb fragte ich ihn, was ihn denn bedrückte.« Er hielt wieder inne, und seine starken Finger rieben sich aneinander.
    »Und was war es?«, hakte Mark nach und beugte sich vor, damit Otitoju mit ihrer pingeligen Ausstrahlung aus dem Kreis der Männerrunde ausgeschlossen war.
    »Er sagte, dass einer der Gewerkschaftsfunktionäre in die Kasse gegriffen hätte.« Hier sah er Mark direkt in die Augen. Er konnte den schrecklichen Verrat spüren, der sich hinter Macleans Worten versteckte. »Wir waren alle pleite und hatten kaum etwas zu essen, und einer der Kerle, die eigentlich auf unserer Seite waren, stopfte sich die eigenen Taschen voll. Es klingt jetzt vielleicht nicht nach einer großen Sache. Aber damals hat es mich bis ins Mark erschüttert.«

[home]
Donnerstag, 29. November 1984,
Dysart
    E ine Makrele zog an seiner Angel, aber Iain Maclean beachtete sie nicht.
    »Du machst Witze, verdammt noch mal«, sagte er. »Niemand würde so was machen.«
    Mick Prentice zuckte mit den Schultern und sah kein einziges Mal von dem auf seiner Staffelei festgesteckten Zeichenpapier auf. »Du brauchst mir nicht zu glauben. Aber ich weiß, was ich weiß.«
    »Du musst etwas missverstanden haben. Kein Gewerkschaftsfunktionär würde uns bestehlen. Nicht hier und nicht jetzt.« Maclean sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.
    »Hör zu, ich erzähl dir, was ich weiß.« Mick fuhr mit seinem Pinsel über das Papier und tupfte einen verschwommenen Fleck an den Horizont. »Ich war letzten Dienstag im Büro. Andy hatte mich gebeten, zu kommen und ihm beim Bearbeiten der Anfragen nach Unterstützung zu helfen. Ich ging also die eingegangenen Briefe durch. Ich sag dir, es würde dir das Herz brechen, zu lesen, was die Leute alles durchmachen.« Er wusch seinen Pinsel aus und mischte einen graugrünen Farbton auf seiner Palette im Taschenformat. »Ich seh mir also diese Sachen in dem kleinen Kabuff neben dem Hauptbüro an, und draußen ist ein Funktionär. Jedenfalls kam eine Frau aus Lundin Links herein. Im Tweedkostüm und mit so einer blöden Mohairmütze. Du kennst ja diese Sorte – die gute Fee, die sich um die Bauern kümmert. Sie sagte, sie wäre bei einem Frühstück im Golfclub gewesen, wo sie zweihundertundzweiunddreißig Pfund gesammelt hätten, um den armen Familien der streikenden Bergarbeiter zu helfen.«
    »Schön für die Familien«, meinte Maclean. »Besser, es geht an uns als an die verdammte Thatcher-Clique.«
    »Genau. Also dankt er ihr, und sie geht. Ich habe nicht wirklich gesehen, wo das Geld geblieben ist, kann dir aber sagen, im Safe ist es nicht gelandet.«
    »Ach, komm, Mick. Das beweist doch nichts. Dein Mann könnte es vielleicht direkt zum Bezirksbüro gebracht haben. Oder zur Bank.«
    »Ja, bestimmt.« Mick stieß ein bitteres Lachen aus. »Als ob wir heutzutage noch Geld zur Bank brächten, wo sie hinter uns her sind und es beschlagnahmen würden.«
    »Trotzdem«, beharrte Maclean und fühlte sich irgendwie gekränkt.
    »Pass mal auf, wenn das alles wäre, würd es mich nicht beunruhigen. Aber da ist noch mehr. Eine von Andys Aufgaben ist es, über das durch Spenden und Ähnliches hereinkommende Geld Buch zu führen. All dieses Geld soll ans Bezirksbüro abgegeben werden. Ich weiß nicht, was danach damit passiert, ob es als Almosen zu uns zurückkommt oder am Hof von König Arthur landet und auf irgendeinem verdammten Schweizer Konto auf die hohe Kante

Weitere Kostenlose Bücher