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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Leute sofort erkennen würden, ob das etwas war, das man ernst nehmen sollte.«
    Clevere Antwort, dachte Karen. Sie hatte zwar nicht erwartet, dass Bel Richmond zugab, an der beträchtlichen Belohnung interessiert zu sein, die Brodie Grant immer noch anbot; oder an der Aussicht auf einen exklusiven Zugang zu der ultimativen Quelle. »Schön«, meinte sie. »Sie sagen also, Sie hätten den Eindruck gehabt, dass wer immer dort gewohnt hatte, das Haus in aller Eile verließ. Und Sie erzählten von etwas wie einem Blutfleck in der Küche. Schien Ihnen zwischen den beiden Dingen eine Verbindung zu bestehen?«
    Es herrschte einen Moment Schweigen, dann antwortete Bel: »Ich weiß nicht recht, wie ich das hätte beurteilen können.«
    »Wenn der Fleck auf dem Boden alt oder es kein Blut war, sondern irgendwie zum Raum gehörte. Wenn Stühle darauf standen, so etwas zum Beispiel.«
    »Ach so, richtig. Ja, daran hatte ich in diesem Sinn nicht gedacht. Nein, ich glaube nicht, dass er einfach Teil der Kulisse war. Daneben lag ein umgeworfener Stuhl.« Sie sprach langsam und versuchte offensichtlich, sich die Szene ins Gedächtnis zu rufen. »An einer Stelle sah es so aus, als hätte jemand versucht, den Fleck zu entfernen, dann aber begriffen, dass es nichts bringen würde. Der Boden ist aus Steinplatten, nicht aus glatten Fliesen. Das Blut ist also in die Oberfläche eingesickert.«
    »Gab es noch andere Poster oder bedrucktes Material dort?«
    »Nicht dass ich welches gesehen hätte. Aber ich habe das Haus nicht durchsucht. Ehrlich gesagt, das Poster hat mich so erschreckt, dass ich nur schnell wegwollte.« Sie lachte kurz auf. »Ich bin nicht gerade das leuchtende Beispiel einer unerschrockenen Enthüllungsjournalistin, was?«
    Karen hatte keine Lust, ihrem Ego zu schmeicheln. »Das Poster hat Sie erschreckt? Und das Blut nicht?«
    Wieder eine Denkpause. »Wissen Sie, was? Das ist mir bis jetzt noch gar nicht aufgegangen. Sie haben recht, es war tatsächlich das Poster, nicht das Blut. Ich weiß wirklich nicht, warum.«

[home]
Samstag, 30. Juni 2007,
East Wemyss
    D ie Ufermauer war erneuert worden, seit Karen das letzte Mal East Wemyss besucht hatte. Sie war absichtlich früher gekommen, damit sie noch einen Spaziergang durch den unteren Teil des Dorfes machen konnte. In ihrer Kindheit waren sie manchmal am Küstenvorland zwischen hier und Buckhaven spazieren gegangen. Sie erinnerte sich an den heruntergekommenen, nutzlosen Überrest eines verwahrlosten und verlassenen Ortes. Jetzt war er auf Vordermann gebracht und gepflegt, alte Häuser, kürzlich mit weißem oder sandsteinrotem Rauhputz verschönert, sahen neu und frisch wie aus der Verpackung genommen aus. Die nicht mehr als Gotteshaus genutzte Kirche St. Mary’s by the Sea war vor dem Verfall gerettet und in ein privates Heim umgewandelt worden. Dank der EU war eine Ufermauer aus massiven Steinblöcken gebaut worden, um das Wasser des Firth of Forth in Schach zu halten. Sie ging an den Back Dykes entlang und versuchte, sich zu orientieren. Das Waldstück hinter dem Pfarrhaus war verschwunden, und an seiner Stelle standen neue Häuser. Genauso verhielt es sich mit den alten Fabrikgebäuden. Auch der Horizont war verändert, weil das Fördergestell und die Abraumhalde nicht mehr da waren. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass es der gleiche Ort war, hätte sie ihn nur schwer wiedererkannt.
    Aber sie musste zugeben, dass es eine Verbesserung war. Wenn man über die alten Zeiten sprach, wurde man leicht sentimental und vergaß die entsetzlichen Bedingungen, unter denen so viele Menschen zu leben gezwungen waren. Außerdem waren sie in wirtschaftlicher Hinsicht Sklaven, die wegen ihrer Armut keine andere Wahl hatten, als in den Läden vor Ort einzukaufen. Selbst in der Kooperative, die ja angeblich zum Wohl ihrer Mitglieder betrieben wurde, waren die Preise hoch im Vergleich zu den Läden in der Einkaufsstraße von Kirkcaldy. Das Leben war hart gewesen, und der Zusammenhalt der Gemeinde bot die einzige wirkliche Entschädigung. Der Verlust dieses kleinen Vorteils musste für Jenny Prentice ein harter Schlag gewesen sein.
    Karen kehrte in Richtung Parkplatz zurück und sah entlang der Küste zu der geriffelten Klippe aus rotem Sandstein hinüber, die den Anfang einer Reihe tiefer Höhlen am Fuß des Felsens markierte. In ihrer Erinnerung waren sie weiter weg vom Dorf gewesen, aber jetzt stieß eine Häuserreihe direkt an den äußeren Rand von Court Cave. Und es gab

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