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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Mörders oder mehrerer Mörder, die unter allen Umständen den Ruf eines betrügerischen Gewerkschaftsfunktionärs schützen wollten.
    Karen schauderte. »Zu viel Phantasie«, sagte sie laut zu sich selbst.
    »Was ist?« Phil hob den Blick vom Bildschirm und betrachtete sie stirnrunzelnd.
    »Tut mir leid. Hab mir gerade selbst einen Rüffel wegen melodramatischer Übertreibung verpasst. Aber ich kann dir sagen, wenn diese Femi Otitoju irgendwann mal lieber in den Norden wollte, würd ich sie so schnell gegen den Minzdrops eintauschen, dass ihm die Tränen kämen.«
    »Das heißt aber nicht viel«, meinte Phil. »Übrigens, was machst du eigentlich hier? Solltest du nicht im Moment mit der reizenden Miss Richmond sprechen?«
    »Sie hat eine Nachricht hinterlassen.« Karen sah auf ihre Uhr. »Sie wird bald hier sein.«
    »Wodurch wurde sie aufgehalten?«
    »Anscheinend musste sie dringend mit dem Rechtsanwalt irgendeiner Zeitung über einen Artikel sprechen, den sie geschrieben hat.«
    Phil schnalzte mit der Zunge. »Typisch Brodie Grant. Die halten uns doch immer noch für die dienende Klasse. Vielleicht solltest du sie warten lassen.«
    »Ich hab keinen Bock, mich auf blöde Spielchen einzulassen. Hier, sieh dir das mal an. Den Absatz, den ich markiert habe.« Sie reichte Phil Otitojus Bericht hinüber und wartete, bis er ihn gelesen hatte. Sobald er den Blick von der Seite hob, sagte sie: »Mick Prentice ist also gut zwölf Stunden, nachdem er das Haus verließ, noch gesehen worden. Und es klingt, als wäre er völlig außer sich gewesen.«
    »Merkwürdig. Wenn er weggehen wollte, warum hing er dann abends zu dieser Zeit noch dort herum? Wo war er gewesen? Wohin wollte er? Worauf wartete er?« Phil kratzte sich am Kinn. »Leuchtet mir nicht ein.«
    »Mir auch nicht. Aber wir werden versuchen müssen, den Grund herauszufinden. Ich werd’s auf meine Liste setzen«, seufzte sie. »Irgendwo unter ›ausführlich mit der italienischen Polizei sprechen‹.«
    »Ich dachte, du hättest schon mit ihnen geredet?«
    Sie nickte. »Mit einem Beamten in ihrer Zentrale in Siena, ein Typ namens di Stefano, mit dem Pete Spinks vom Kinderschutz vor zwei Jahren zu tun hatte. Er spricht ziemlich gut Englisch, braucht aber mehr Information.«
    »Du wirst es also auf Montag verschieben müssen?«
    Karen nickte. »Ja. Er sagte, Freitag nach zwei Uhr könne ich niemanden mehr in ihren Büros erwarten.«
    »Kein schlechter Job, wenn man ihn bekommen kann«, meinte Phil. »Apropos, hättest du Lust auf ’n kurzen Drink, wenn du mit der reizenden Annabel Richmond gesprochen hast? Ich muss zu meinem Bruder zum Abendessen, aber ich habe Zeit für ein Bier.«
    Karen war unentschlossen. Die Aussicht, mit Phil etwas trinken zu gehen, war immer verlockend, aber wegen ihrer häufigen Abwesenheit vom Büro war die Schreibtischarbeit zu lange liegengeblieben. Und morgen konnte sie es nicht nachholen, weil sie zu den Höhlen fahren würden. Sie spielte mit dem Gedanken, auf einen schnellen Drink zu unterbrechen und dann wieder ins Büro zurückzukehren. Aber sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie eine Ausrede finden würde, um nicht zu dem Papierkram zurückzumüssen, wenn sie den Schreibtisch erst einmal hinter sich gelassen hatte. »Tut mir leid«, seufzte sie. »Ich muss hier mal Klarschiff machen.«
    »Dann vielleicht morgen? Wir könnten uns einen Lunch im Laird o’Wemyss gönnen.«
    Karen lachte. »Hast du im Lotto gewonnen? Weißt du, was die für Preise haben?«
    Phil zwinkerte. »Ich weiß zufällig, dass sie am letzten Samstagmittag eines jeden Monats ein besonderes Angebot haben. Und das wäre morgen.«
    »Und ich dachte, ich wäre hier die Detektivin. Okay, abgemacht.« Karen konzentrierte sich wieder auf ihre Notizen und stellte sicher, dass sie genau wusste, was sie Annabel Richmond fragen wollte.
    Fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit klingelte Karens Telefon. Die Journalistin war im Gebäude. Karen bat einen Kollegen in Uniform, Richmond zu dem Befragungsraum zu führen, in dem sie Misha Gibson getroffen hatte. Dann nahm sie ihre Unterlagen und ging hinunter. Sie trat ein und fand ihre Zeugin an das Fensterbrett gelehnt, von wo sie zu den dünnen Wolkenfetzen am Himmel hinaufsah. »Danke, dass Sie gekommen sind, Miss Richmond«, sagte Karen.
    Sie drehte sich mit einem offenen, echten Lächeln um. »Sagen Sie doch bitte Bel zu mir«, erwiderte sie. »Ich sollte Ihnen danken, dass Sie so entgegenkommend sind. Ich

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