Nacht
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Natürlich war das wieder nur meine Fantasie.
Trotzdem bekam ich furchtbare Angst.
Ich ließ den Knauf los und trat von der Tür zurück. Irgendwie erwartete ich fast, dass sie aufgestoßen wurde. Aber sie blieb zu. Ich drehte mich um und sah hinüber zu der gläsernen Schiebetür, durch die ich einen Teil des Pools sehen konnte. Aber immer noch nicht den Fremden.
Wo ist er?
Diesmal ging ich ganz vorsichtig durch den Raum, und als ich mich der Schiebetür näherte, streckte ich eine Hand aus. Bald berührten meine Finger das kühle Glas.
Ich trat noch näher und blickte hinaus.
Der Mann war nirgends zu sehen.
Als meine Brust die Scheibe berührte, blieb ich stehen. Näher konnte ich nicht mehr an die Tür heran.
Ich starrte nach draußen.
Wohin war er verschwunden?
Im Pool schien er nicht mehr sein, und auf der Terrasse oder dem Rasen war er auch nicht.
Vielleicht war er ja weggegangen.
Oder er ist schon im Haus.
Das kalte Glas, das ich durch den dünnen Stoff des Kimonos spürte, tat mir an den Brustwarzen weh. Ich trat einen kleinen Schritt zurück.
Die Scheibe war von meinem Atem wieder beschlagen, und ich wischte sie mit dem Ärmel ab.
Und dann sah ich ihn.
Er war noch immer im Pool.
Vielleicht war er ja eine Weile untergetaucht, oder hatte sich die ganze Zeit direkt unter dem Beckenrand aufgehalten, wo ich nicht hinblicken konnte.
Wie dem auch sei, er war wieder da.
Er trieb mit weit vom Körper gespreizten Armen und Beinen in der Mitte des Pools auf dem Rücken und bewegte sich nicht. In dem ruhigen Wasser trieb er ganz langsam auf den flachen Teil des Pools zu, als habe die kaum merkliche Strömung etwas mit ihm vor, ließe sich aber Zeit dabei.
Im Mondlicht glänzte seine nackte Haut wie poliertes Silber.
Er sah aus, als schliefe er.
Aber vermutlich war er wach und genoss es, auf dem kühlen Wasser zu treiben und gleichzeitig zu spüren, wie der warme Nachtwind ganz sanft über seinen Körper strich.
Er sah aus, als wartete er auf eine Geliebte, die zu ihm in den Pool kam, angelockt von seinem nackt daliegenden Körper und dem Pfahl aus Fleisch, der sich in seiner Mitte erhob und im Mondlicht schimmernd gen Himmel reckte.
Ob ich es wohl war, auf die er wartete?
Er will mich. Er weiß, dass ich ihm zuschaue, und glaubt, dass er mich auf diese Weise aus dem Haus locken kann.
Da hast du dich gewaltig geschnitten, Freundchen. Ich komme nicht raus zu dir, und wenn du mit deinem Ding da noch eine Ewigkeit in der Luft herumwedelst.
Dass der Typ nicht schlecht aussah, wie er da so im Mondlicht auf dem Pool trieb, musste noch lange nicht heißen, dass er kein Vergewaltiger, Mörder oder Geisteskranker war.
Irgendetwas musste schließlich mit ihm nicht in Ordnung sein, denn ein normaler Mensch schleicht sich nicht um Mitternacht aus dem Wald, zieht sich nackt aus und springt in einen fremden Swimmingpool.
Vielleicht ist er ja ein Freund von Charlie und Serena und hat sich von ihnen die Erlaubnis geben lassen.
Diese Idee war mir bisher noch nicht gekommen.
Aber sie schien mir auch nicht allzu plausibel zu sein. Eher sehr unwahrscheinlich. Erstens würden die beiden niemals jemanden in ihrer Abwesenheit ihren Pool benutzen lassen, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, und zweitens kannte ich alle ihre Freunde. Der Mann im Pool gehörte nicht dazu.
Dachte ich zumindest.
Es war nämlich nicht leicht, sein Gesicht zu erkennen. Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass mir ein so gut gebauter Mann unter Charlies und Serenas Freunden mit Sicherheit nicht entgangen wäre.
Die beiden waren sehr gesellig und luden ständig Leute zu Poolparties ein, aber ich war die Einzige, die den Pool benutzen durfte, wenn sie nicht da waren. Das hatten sie mir schon öfter gesagt, und deshalb war ich mir so gut wie sicher, dass dieser Mann nicht hierher gehörte.
Schließlich wohnte ich seit drei Jahren über Serenas Garage und hatte von meinen Fenstern aus einen guten Blick auf den Pool.
Bisher hatte dort noch nie jemand in ihrer Abwesenheit gebadet.
Natürlich verbrachte ich nicht den ganzen Tag damit, den Pool zu beobachten. Es war also auch möglich, dass sich dort hin und wieder etwas abgespielt hatte, von dem ich nichts wusste.
Aber bestimmt nicht oft.
Ich hatte Eichhörnchen, Waschbären, Rehe und andere Tiere beobachtet, die aus dem Wald an den Pool gekommen waren und dort Wasser getrunken hatten. Ich hatte Charlie zugesehen, wie er im Morgengrauen seine Runden
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