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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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standzuhalten.«
    »Wenn der Krieg vorbei ist«, sagte Nadjeschka, »kommt Oksana frei. Hoffentlich hält sie bis dahin durch.«
    »Die Amerikaner reden viel und tun wenig«, sagte Georg.
    »Da täuschen Sie sich.« Walter lachte leise. »Sie werden kommen. Die Alliierten beraten längst, was mit Deutschland nach der Niederlage passieren soll. Davon wird nichts in unseren Zeitungen berichtet, natürlich nicht. Ich sage Ihnen, es geht auf das Ende zu. Deutschland wird alles verlieren. Vielleicht gibt es schlussendlich gar kein Land mehr für unser Volk. Und genau das haben wir verdient.«
    Die Fenster der Flughafengebäude blitzten vor Sauberkeit. Die Büsche waren beschnitten, die Blumenbeete geharkt. Selbst die verschrammten Körper der Flugzeuge hatte man poliert. Heute hatte jeder der Angestellten seine Zähne besonders gründlich geputzt. Alle waren vorbereitet auf die Ankunft des Königs und der Königin. Bis auf ihn, Kenneth Fraser. Die Schuhe drei Tage vor dem großen Ereignis zum Besohlen fortzugeben – niemand, der bei Verstand war, wäre dieses Risiko eingegangen. Natürlich hatte er sie nicht rechtzeitig zurückbekommen. Vor König und Königin die alten Schuhe zu tragen, die zerkratzten, beschämte ihn so sehr, dass er ernsthaft überlegte, sich im letzten Moment krankzumelden.
    Die Flugzeugbesatzungen nahmen hinter einer weißen Linie Aufstellung, die extra für diesen Zweck in den Morgenstunden auf den Boden gemalt worden war. Er konnte die Schuhe der anderen gut sehen: Sie glänzten obsidianschwarz und sahen aus wie neu. Daneben wirkten seine Schuhe nachlässig, die Schuhbänder waren ausgefranst, die Schuhspitzen angestoßen.
    Den Kopf nach oben, ermahnte er sich. Sonst lenkst du ihre Blicke ja geradewegs zu dem Malheur. Schon kamen sie heran, König George VI ., selbstverständlich in Uniform, neben ihm Air Vice-Marshal Ralph Cochrane, Whitworth. Cochrane stellte dem König jedes einzelne Crewmitglied vor. Was würde er bei ihm sagen? Und das ist der Mann, der die ganze Operation nahezu an eine bildhübsche Agentin der Deutschen verraten hätte?
    Sie näherten sich. Kenneth hielt die Luft an. Der große Moment war da. Cochrane sagte: »Und das ist Kenneth Fraser, ein erstklassiger Pilot, aus York.«
    Der König sah ihm in die Augen und drückte ihm die Hand. »Ich freue mich, Mr Fraser.«
    Die Fotografen machten Fotos. Morgen würden sie in allen britischen Zeitungen stehen, Fotos von ihm mit den alten Schuhen, wie er dem König gegenüberstand. Seine Mutter würde das sehen und sich beim Anblick der Schuhe fragen, ob sie in seiner Erziehung alles falsch gemacht hatte.
    Schon stand der König beim nächsten Piloten. Aus dem Augenwinkel sah Ken nach links. Die Königin hielt sich noch bei Guy Gibson auf. Endlich löste sie sich und kam ebenfalls heran. Sie wurde von einem hohen Offizier begleitet, den er nicht kannte, er musste aus dem Bomber Command mitgereist sein. Bevor er jeden Namen sagte, schaute er auf eine Liste.
    Der Offizier sagte: »Das ist Kenneth Fraser. Er kommt aus Australien.« Die Königin sah freundlich von unten zu ihm herauf und gab ihm die Hand.
    Was redete der da! Hatte er sich auf seiner Liste verguckt? Ken malte sich aus, wie ihn die anderen mit der Sache aufziehen würden die ganzen nächsten Wochen lang. Kenneth, der Australier.
    Königin Elizabeth sagte: »Aus Australien. Wo genau sind Sie her?«
    Sollte er lügen? Andererseits, was kümmerte es die Königin, wo ein Kenneth Fraser herstammte? Heute Abend würde sie ihn schon wieder vergessen haben. Die Fotografen hielten die Kameras auf ihn gerichtet, sie fotografierten seinen Schweiß. Er ahnte, wie schwer es den anderen fiel, das Lachen zu unterdrücken. Wahrheitsgemäß antwortete er: »Ich bin aus York.«
    Sie runzelte die Stirn. »Gibt es das auch in Australien?« Verwirrt ging sie weiter und schüttelte dem Nächsten die Hand. Sie sagte: »Wie jung Sie alle sind!«
    Den Rest des Tages ging er immer wieder diese Situation durch und fragte sich, was er hätte anders machen sollen. Be schämt nahm er die Auszeichnung mit dem Distinguished Flying Cross entgegen, sah zu, wie Guy Gibson zu allen seinen Ehren auch noch das Victoria Cross erhielt, weil er todesmutig die Positionslichter angeschaltet hatte, um das Flakfeuer auf sich zu lenken. Zehn andere erhielten das Distinguished Flying Cross, zwei die Conspicuous Gallantry Medal und elf die Distinguished Flying Medal.
    Sie wurden eingeladen zu einer großen Zeremonie am

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