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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nackten Hintern bot. Doch das war ihm egal.
    Kommissar Büscher räusperte sich und baute sich vor der Tür auf. Er machte durch seine Körperhaltung klar, dass er keineswegs daran dachte, Leon gehen zu lassen.
    »Wo sind meine Sachen?«, fragte Leon und zeigte auf den leeren Schrank.
    Büscher und Schiller sahen sich an. Mit Blicken verständigten sie sich, wer Leon antworten sollte. Alleine das machte ihn rasend.
    »Deine Kleidung muss kriminaltechnisch untersucht werden. Sie ist im Labor«, sagte der Kommissar sachlich.
    »Das ist reine Routine, das müssen wir so machen«, ergänzte Birte Schiller.
    »Häh? Was?«
    Büscher berührte Leon mit der Hand an der Schulter. Leon zuckte zurück. Kommissar Büscher wollte ihn eigentlich damit beruhigen. Manchmal wirkte eine Berührung Wunder. Hartnäckige Lügner brachen plötzlich in Tränen aus und sagten die Wahrheit. Verwirrte Opfer wachten wie aus einem Albtraum auf und bekamen ihre Sprache zurück.
    Leon reagierte anders. Abweisend. Aggressiv.
    Kommissar Büscher konnte sich schon vorstellen, dass Leon ab und zu die Nerven verlor und gewalttätig wurde. Hatte er in einem Zornesausbruch seine Mutter getötet? Das Messer dann abgewaschen und in der Küche wieder in den Messerblock zu den anderen zurückgesteckt?
    Die Spuren waren eindeutig. Das Messer war im Spülbecken gesäubert worden. Es gab weder sichtbare Blutspuren noch Fingerabdrücke, aber der Täter hatte in der Eile die Arbeitsplatte in der Küche nicht richtig abgewischt. Die winzigen Tropfen verrieten genau, was geschehen war.
    Kommissar Büscher beschloss, Leon zu provozieren. Vielleicht war der Junge ja wie sein Vater? Der hatte ihn auch tätlich angegriffen. Wenn die Männer in der Familie Schwarz nicht weiterwussten, neigten sie offensichtlich zu unüberlegten Wutattacken.
    Jeder Mensch hatte eine natürliche Abstandsgrenze. Eine Aura, eine Distanz, die er gewahrt haben wollte, um sich wohl zu fühlen.
    Wenn man aggressiven Menschen zu nahe kam, gingen sie zum Angriff über.
    Friedliche Personen wichen einfach aus, unsichere Menschen zogen sich zurück.
    Kommissar Büscher testete Leon aus. Seine Kollegin Schiller wusste genau, was geschah. Sie hätte lieber beruhigend auf die Situation eingewirkt, aber sie kannte Büschers provokative Methode. Auf diese Art und Weise hatte er viele Fälle gelöst.
    Bewusst durchbrach Büscher Leons Schutzraum. Leon gehörte offenbar nicht zu den unsicheren Menschen und auch nicht wirklich zu den friedlichen, denn er wich zwar zunächst reflexhaft zurück, aber nur, um dann mit einem Ausfallschritt links am Kommissar vorbeizuhuschen.
    Zweimal falle ich nicht auf den gleichen Trick herein, dachte sich Büscher und stellte Leon ein Bein.
    Leon krachte auf den Boden und jaulte vor Schmerz auf.
    Frau Dr. Stindl, die draußen im Flur gewartet und gelauscht hatte, riss die Tür auf. Sie sah Leon am Boden und fauchte: »Jetzt wissen wir also auch, was Sie sich unter einer einfühlsamen und sensiblen Befragung vorstellen!«
    Leon war augenblicklich wieder oben und trat nach dem Kommissar. Der wurde zwar am Schienbein getroffen, aber er machte demonstrativ mehr aus der Attacke, als dran war. Er tat, als ob er echte Schmerzen hätte und krümmte sich stöhnend. Er wollte damit Punkte bei Frau Dr. Stindl sammeln und untermauern, wie gefährlich Leon Schwarz war.
    Der trat noch ein zweites Mal zu und entkam mit einem Sprung aus dem Zimmer. Er knallte die Tür hinter sich zu.
    Auf dem Flur rutschte er aus. Auf allen vieren bewegte er sich flink wie ein junger Pavian. Er huschte in den Aufenthaltsraum fürs Pflegepersonal. Die Kaffeemaschine blubberte. Leon versteckte sich unter dem Tisch. Er wusste, dass er hier nicht lange sicher war.
    Er hörte die Stimmen von Büscher und Schiller auf dem Flur. Sie suchten ihn. Jeder lief in eine andere Richtung.
    Leon sah sich um. Auf einem Stuhl hing eine pinkfarbene Fleecejacke Größe 36. Auf dem Rücken stand in weißen Buchstaben »Zicke«. Er fand auch noch einen schwarzen Lederrock, zwei Paar Damenschuhe Größe 38 und 39 und eine selbstgestrickte Wollmütze in Jamaikafarben.
    Die Schuhe zog er nicht an, aber ein Rock und eine viel zu enge pinkfarbene Jacke waren ihm lieber als das hinten offene Krankenhaushemdchen.
    Kommissar Büscher stieß die Tür zum Aufenthaltsraum auf und warf einen Blick hinein. Er sah Leon, aber die Informationen brauchten zu lange, um von seinem Verstand zu einem logischen Bild zusammengesetzt zu

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