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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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werden.
    Büscher war gut erzogen worden, das war nicht immer hilfreich im Leben. Jetzt zum Beispiel. Auf den ersten Blick zog sich gerade eine junge Frau um. Er sah sie von hinten. Sie bückte sich und stieg in einen Rock. Auf ihrem Rücken stand »Zicke«.
    Er hielt sich unwillkürlich eine Hand vors Gesicht und sagte: »Oh, Entschuldigung, junge Frau …«
    Erst als er wieder im Flur stand, sickerte die ganze Wahrheit zu ihm durch. Viele Puzzlestückchen ergaben ein fast komplettes Bild.
    Er drehte sich um, riss die Tür erneut auf und prophezeite: »So einfach trickst du mich nicht aus, Bürschchen!«
    Er packte Leon und zerrte ihn nach draußen. Ein Besucher von Zimmer 12, der nach einer Blumenvase für seine mitgebrachten roten und weißen Röschen suchte, sah einen Mann mit einem Mädchen kämpfen und rief: »Lassen Sie die Frau in Ruhe!«
    »Hilfe!«, kreischte Leon.
    Von der anderen Seite kamen Frau Dr. Stindl und Kommissarin Schiller angelaufen. Der Besucher von Zimmer 12 war mit drei Schritten da, um dem Mädchen beizustehen. Seine Freundin war mal in der Straßenbahn von zwei besoffenen Rowdys bedrängt worden, und niemand hatte ihr geholfen. Alle hatten betreten weggeguckt und gehofft, selbst ungeschoren davonzukommen. So ein Feigling wollte er nicht sein.
    Seine Freundin würde seinen Einsatz bestimmt zu würdigen wissen. Die Tür von Zimmer 12 stand offen, und sie konnte genau sehen, was geschah. Es war, als ob er ihr nachträglich in der Straßenbahn zu Hilfe eilen könnte, als er seine rechte Faust geradezu genüsslich in Büschers Gesicht knallte.
    Büscher sackte zusammen.
    Leon rannte »Papa!« schreiend durch den Flur. Kommissarin Schiller verfolgte ihn und verlor dabei den Absatz von ihrem rechten Schuh.
    Frau Dr. Stindl beugte sich über Büscher und fühlte seinen Puls.
    »Sind Sie ohnmächtig geworden?«
    »Nein, verdammt. Der Typ da hat mich umgehauen!«
    »Bravo, Nobbi! Gib ihm Saures!«, ertönte eine piepsige Stimme aus Zimmer 12.
    »Und ich verpass dir gerne noch eine, falls du noch nicht genug hast!«, drohte Nobbi, hocherfreut darüber, dass seine Freundin die Heldentat beobachtet hatte und gut fand.
    »Das hat er jetzt davon, kleine Mädchen zu schlagen«, freute sich Nobbis Angebetete.
    »Das ist kein kleines Mädchen, sondern ein großer Junge. Und nicht ich habe ihn geschlagen. Er hat mich getreten!«
    Nobbi tänzelte mit erhobenen Fäusten kampfbereit wie der junge Henry Maske vor dem Kommissar auf und ab.
    »Papa!«, schrie Leon. »Wo ist mein Papa?!«
    »Der Papa wird Ihnen noch einmal eins aufs Maul hauen wollen, wenn er erfährt, was Sie seiner Tochter angetan haben, wollen wir wetten?«, ereiferte sich Nobbi und drohte dem Kommissar mit der Faust.
    Vorsichtig erhob Kommissar Büscher sich. Er zeigte seinen Dienstausweis vor und sagte so sachlich wie möglich: »Hauptkommissar Büscher. Mordkommission Bremerhaven. Ich hätte gerne Ihren Namen und Ihre Adresse. Ich hoffe, Sie können sich ausweisen. Sie haben sich gerade einer Gefangenenbefreiung schuldig gemacht.«
    »Ha!«, lachte Nobbi. »Gefangenenbefreiung? Du willst mich wohl verarschen, du Komiker? So einen Ausweis kann man auf jeder Kirmes schießen! Ich habe einen vom CIA, willst du den mal sehen?«
    Kommissarin Schiller rang Leon zu Boden. Der brüllte immer weiter: »Papa! Papa!«
    Da flog die Tür von Zimmer 8 auf, und Leons Vater erschien im Türrahmen. Er zog einen Metallständer hinter sich her, an dem eine Infusionsflasche hing. In seinem Handrücken steckte das T-Stück einer Kanüle. Blut tropfte heraus und lief in einem kleinen Rinnsal an seinem Mittelfinger entlang. Er sah aus wie ein irrer Mörder, der einem Horrorfilm entsprungen war.
    »Schluss! Aus! Ende!«, rief Frau Dr. Stindl. »Muss ich erst die Polizei rufen?«
    »Wir sind von der Polizei!«, betonte Kommissarin Schiller, hörte sich dabei aber wenig glaubwürdig an.
    Leons Vater ging mit dem Infusionsständer auf Kommissarin Schiller los. Dabei riss er die Nadel aus seinem Handrücken. Er bemerkte den Schmerz nicht einmal. Das Blut lief aus ihm heraus wie Wasser aus einem undichten Fass. Der Beutel mit Kochsalzlösung klatschte auf den Boden.
    Holger Schwarz benutzte den Ständer wie eine Lanze und presste die Spitze gegen Birte Schillers Bauch. Ruckartig zustechend drückte er sie gegen die Wand.
    Leon raffte sich auf. Dann stand er vor seinem Vater und sah ihm in die Augen. Der ließ den Infusionsständer fallen und umarmte seinen Sohn.

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