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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Mobiltelefon einzuschalten?« Swanson schien nur ungern auf Lucas’ Frage zu antworten.
    »Wenn ich es einschalte, rufen mich dauernd irgendwelche Leute an«, knurrte Lucas. »Also, was ist passiert?«
    »Wir waren gerade bei der Anfangsroutine, machten alle Türen auf, gingen durchs Haus – du kennst das ja.« Sie kannten es beide. Lucas war an mehr Mordtatorten gewesen, als er sich erinnern konnte, und Swanson an noch weitaus mehr als Lucas; er war bereits bei der Mordkommission gewesen, als Lucas noch in Uniform Streifendienst geschoben hatte.
    »Und?«
    »Wir haben eine zweite Leiche gefunden«, sagte Swanson. »In einem Wandschrank. Ebenfalls eine Frau.«
    Lucas sah ihn lange an, schüttelte dann den Kopf. »Das ist verdammt viel schlimmer.«
    »Ja. Dachte ich auch.« Es war schlimm, aber auch mal was Neues. Sie hatten beide schon öfter mit Mehrfachmorden zu tun gehabt, waren aber noch nie zu einem Tatort gekommen, an dem die zuerst eingetroffenen Cops schon Kaffee und Donuts besorgt und die Anfangsroutine begonnen hatten – und ihnen dann nach dem Öffnen der Tür eines Wandschranks eine zweite Leiche wie ein versteckter Sparstrumpf vor die Füße gefallen war.
    »Wieso hat es so lange gedauert, bis ihr sie gefunden habt?«, fragte Lucas.
    »Sie steckte in dem Wandschrank, die Tür war zu, und keiner kam zunächst auf die Idee, sie aufzumachen.«
    »Verdammt, ich kann nur hoffen, dass die Medien das nicht rauskriegen«, knurrte Lucas. »Vielleicht sollten wir es ihnen selbst sagen. Du verstehst, unsere eigene spezielle Version.«
    »Die Frau, der das Haus gehört – Hanson heißt sie –, war in der Nähe, als wir diese zweite Leiche fanden, und sie wird mit Sicherheit darüber reden. Sie ist mehr als mediengeil. Weißt du, was sie gesagt hat, als ich mit ihr darüber sprach?«
    Lucas schüttelte den Kopf.
    »Sie sagte, ihre besten schwarzen Kleider wären leider zu kurz für diese Gelegenheit. Und meinte damit die Morde. Sie betrachtet das als willkommenen Fototermin, und ihre Gedanken kreisen um nichts anderes als um die Garderobe, die sie vor den Kameras tragen soll.«
    »Na schön.« So was gab es nun einmal.
    »Da ist noch was.« Swanson sah hinüber zu den uniformierten Cops. Lucas verstand, und sie traten ein Stück zurück. Swanson senkte die Stimme: »Diese Hanson sagt, bei der Party gestern Abend hätte sich ein seltsamer Typ rumgetrieben. Zu der Zeit, als Maison aus der Menge verschwand. Hanson meint, er hätte es getan. Sie kannte ihn nicht, aber er hat mit vielen Leuten geredet. Sie sagt, er hätte wie ein verkommener Dealer von der Straße ausgesehen. Ausgemergelt, gelbe Zähne; er hatte ein T-Shirt mit der Aufschrift ›Ich treib’s gern mit Dummen‹ an, und ein dicker Pfeil zeigte nach unten auf seinen Schwanz. Und darüber trug er einen offenen hundescheiße-braunen Sportmantel.«
    Lucas starrte Swanson einen Moment an, sagte dann: »Hmmm. Aha.«
    »Das war auch mein Gedanke«, sagte Swanson. »Wirst du ihn anrufen?«
    »Ja, ich werde ihn anrufen. Aber erst mal will ich mir den Tatort ansehen.«
     
     
    Hansons Einrichtung war elegant, aber steril. Lucas fiel ein anderer Fall ein, bei dem er in ein Appartement gekommen war und dort die gleiche hochelegante Sterilität angetroffen hatte. Wie ein Hochglanzfoto auf dem Umschlag der Zeitschrift Architectural Digest : Irgendwie nett anzusehen, aber absolut unwohnlich. Eierschalenfarbene Wände mit zeitgenössischen Grafiken – Schraubenschlüssel und Hämmer und seltsame Gebärden und Angst einjagende Schwärze – und dann, um die Ecke, das bukolische englische Landschaftsgemälde in Öl, samt schwarz-weiß gefleckten, zu den Grafiken passenden Kühen. Der skurrile Sinn für Humor eines Innenarchitekten; ein Humor, den man allerdings nicht ungetrübt würdigen konnte, da es im Raum stark nach Alkohol und Tabakrauch stank – wie in einem gut frequentierten Motel.
    Das Haus schien in zwei Trakte eingeteilt zu sein – eine große offene Wohnebene und eine Flucht von Schlafzimmern im hinteren Teil. Swanson ging voraus zu den Schlafzimmern. In dem langen zentralen Flur schauten zwei Cops in Zivil auf den dichten grauen Haarschopf eines Amtsarztes hinunter, der neben einer Leiche auf dem Boden kauerte. Die tote Frau lag auf dem Bauch; sie trug ein rotbraunes Partykleid. Der Arzt schob gerade ein Saugpapier in ihren Mund.
    »Ihr Name ist Sandy Lansing«, sagte Swanson, als sie die Gruppe erreichten. »Sie hat in Brown’s Hotel als das

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