Nachtblind
stehen, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an, schmerzgepeinigt, wie es schien, krallte die Hände an beiden Seiten des Kopfes in die Haare, öffnete den Mund, bewegte die Kiefer, brachte aber kein Wort heraus – und stürzte mit dem Gesicht nach vorn auf den Rasen.
»Jesus Christus«, sagte Del.
Einige der Fahrer stellten das Hupen ein, ein oder zwei machten weiter. Sie konnten jetzt die Stimme des Lexusfahrers wieder hören: »Heh, ihr Arschlöcher, ihr Arschlöcher …«
Sie knieten sich neben Olson, und Lucas schob mit dem Daumen eines seiner Augenlider hoch. Die Augäpfel waren nach oben gerollt, und Lucas sah nur perliges silbernes Weiß. »Er atmet, aber er ist ohnmächtig«, sagte Lucas. »Ruf den Notarzt.«
Del holte sein Mobiltelefon heraus, und sie standen beide auf, sahen auf Olsons schlaffen Körper hinunter. Ein halbes Dutzend Hupen setzte jetzt wieder ein, dann aber hörte man das Jaulen eines Streifenwagens, der sich vor den Porsche setzte; das Hupkonzert hörte schlagartig auf.
Lucas nahm seine Polizeimarke heraus und ging auf den Streifenwagen zu; auf beiden Seiten stiegen Cops des Reviers Bloomington aus und bauten sich vor und hinter dem Porsche auf. Lucas hielt seine Polizeimarke über den Kopf und rief ihnen zu: »Kripo Minneapolis – wir brauchen Unterstützung, vor allem aber einen Krankenwagen.«
Der Cop hinter dem Porsche sagte etwas zu seinem Kollegen, und als Lucas näher kam, immer noch die Polizeimarke hochhaltend, sagte der Cop vor dem Porsche, der ältere der beiden, ein Sergeant: »Chief Davenport … Was ist hier los?«
»Wir wissen noch keine Einzelheiten. Wir hatten drüben vor dem Motel mit einem Mann gesprochen und fuhren gerade wieder los, als er plötzlich wild gestikulierend über den Parkplatz hinter uns hergerannt kam, und dann hatte er so was wie einen Anfall und brach zusammen. Wir brauchen sofort einen Krankenwagen, und wir brauchen Ihre Hilfe. Halten Sie erst einmal noch für ein paar Minuten hier die Stellung, okay?«
»Natürlich.«
Lucas ging zu dem Lexus; der Fahrer hatte sich wieder hinters Lenkrad gesetzt, und Lucas riss die Tür auf. Der Mann war Mitte fünfzig und hatte ein rotes, von einem Netzwerk geplatzter Äderchen überzogenes Gesicht. Lucas sagte zu ihm: »Ich bin Polizist. Wir hatten ein sehr ernstes Problem. Ich neige dazu, Ihren beschissenen dämlichen Arsch aus diesem Wagen zu zerren, Ihnen Handschellen anzulegen und Sie wegen Behinderung eines Polizeibeamten bei der Ausübung seines Dienstes ins Polizeipräsidium schaffen zu lassen. Eine nachhaltige Untersuchung Ihrer Körperöffnungen könnte Ihnen dann deutlich machen, was die wahre Bedeutung des Wortes Arschloch ist.«
»Ich wollte einfach nur weiterfahren.« Der Mann war wütend, dachte nicht daran, sich zu entschuldigen. »Sie haben mich blockiert. Ich bin im Stress, ich habe es verdammt eilig, und Sie beschäftigen sich da mit irgendeinem wild gewordenen Arschloch.«
Lucas sagte: »Schalten Sie die Automatik auf ›Parken‹.«
»Sie steht auf ›Parken‹.«
Lucas griff an ihm vorbei, schaltete den Motor aus. »Bleiben Sie hier und warten Sie, bis ich Ihnen sage, dass Sie weiterfahren können. Wenn Sie es ohne meine Erlaubnis tun, wandern Sie in den Knast.«
»Ich hab’s verdammt eilig!«, schrie der Mann.
Lucas ging zurück zu den Bloomington-Cops und erklärte, was mit Olson passiert war. In der Ferne war die Sirene eines Krankenwagens zu hören. Der Stau vor der Ampel wuchs, als immer mehr Leute, die von der Mall kamen, stehen blieben und den Porsche, den Streifenwagen und den auf dem Rasen liegenden Mann angafften.
»Eines ist seltsam«, sagte Lucas. »Er war völlig normal, als wir auf dem Parkplatz mit ihm sprachen. Dann ging er ins Motel, und eine Minute später kam er wie ein Irrer hinter uns hergerannt. Und jetzt liegt er da und hat einen Anfall, welcher Art auch immer.«
Aus einem Wagen auf der anderen Straßenseite rief ein Kind zu ihnen herüber: »Habt ihr ihn erschossen?«
»Vielleicht ein Schlaganfall«, meinte der Sergeant.
»Er ist einfach nur weggetreten«, meinte Del. »Als ob ihn einer k.o. geschlagen hätte.«
»Wir sollten uns schleunigst mal im Motel umsehen«, sagte Lucas. »Ich bitte Sie, Sergeant, sich um die Sache hier zu kümmern, die Sanitäter, den Verkehr … Und schicken Sie einen weiteren Streifenwagen zum Motel.«
»Geht klar. Der Streifenwagen kommt sofort.« Er sah zu dem Lexus hinüber. »Was ist mit dem Typ da
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