Nachtblind
Minnesota-Vikings-Jacke, einen grauen Werkzeugkasten.
»Suchst du nach einer großkalibrigen Waffe?«, fragte Del.
»Wenn diese Sache das ist, wonach sie aussieht – wenn es sich um einen Mord mit anschließendem Selbstmord handelt … Mann, das würde uns das Leben ganz schön leichter machen«, sagte Lucas. Er griff in die Müllbeutelschachtel, zog zwei Beutel heraus, streifte sie als Handschuhe über die Hände und öffnete den Werkzeugkasten. Der obere Teil bestand aus einer herausnehmbaren Schale mit Steckschlüssel. Er hob die Schale heraus. Werkzeuge aller Art. »Nichts«, sagte er.
Del hatte die Schlüssel aus dem Kofferraumschloss gezogen und öffnete die Beifahrertür, schob den Kopf ins Wageninnere. »Auch hier ist nichts Auffälliges zu sehen.« Er richtete sich auf. »Aber das Loch in der Tür … Ich sag’s noch mal – es scheint ein Rachefeldzug dahinterzustecken. Damit wäre der Anschlag auf Jael Corbeau und auch der Mord an Plain zu erklären. Entweder das oder …«
»Was?«
»Na ja, eine gewagte Theorie, aber was wäre, wenn Lynn Olson versucht hat, sich an seiner Tochter zu vergehen, und jemand hat das gesehen? Der alte Knabe war bei der Party ziemlich blau … Und vielleicht kam Sandy Lansing … Ach, ich weiß auch nicht …«
»Und wie passt Plain in diese Theorie?« Immerhin dachte Lucas über Dels Theorie nach.
»Vielleicht hat er was gesehen.«
»Das hätte er uns doch aber gesagt, meinst du nicht auch? Er hat ja betont, dass er die ganze Sippe im Umfeld Alie’es nicht mag.«
»Darauf weiß ich keine Antwort«, sagte Del.
Sie blieben noch eine Stunde im Motel, beobachteten die Arbeit der Spurensicherung und besprachen mit den Blooming-ton-Cops die Abfassung eines gemeinsamen Berichts über den Ablauf des Geschehens.
»Sie müssen den Revolver schnellstens untersuchen«, sagte Lucas zu einem Techniker der Spurensicherung, der auf dem Boden herumkroch. »Es ist vermutlich die Waffe, mit der auf Marcy Sherrill geschossen wurde.«
»In höchstens zwei Stunden haben Sie das Ergebnis«, sagte der Cop. »Hat man ein Geschoss aus ihrem Körper geholt?«
»Das weiß ich nicht.« Lucas fragte telefonisch nach und erhielt die Antwort, dass beide Geschosse Sherrills Körper glatt durchschlagen hatten. Ein anderes Team der Spurensicherung war, wie man ihm sagte, vor Jael Corbeaus Studio gerade damit beschäftigt, ein Geschoss aus einem Holzgeländer zu bergen. Jael selbst war noch immer im Krankenhaus.
Ein Rudel von TV-Aufnahmewagen lag vor einem Restaurant auf der anderen Straßenseite auf der Lauer. Die Streifenwagenbesatzungen hielten die Reporter vom Motel fern, und einer der Cops hatte Lucas’ Porsche zurück auf den Parkplatz gefahren. Als sie das Motel verließen, kam plötzlich Bewegung in die herumlungernden Kameramänner, und TV-Kameras wurden hastig geschultert.
»Wir kommen ins Fernsehen«, sagte Lucas. Del senkte schnell den Kopf und versteckte sich hinter Lucas. Auch im Wagen hielt er den Kopf gesenkt, zusätzlich legte er eine Hand übers Gesicht. Als sie vom Parkplatz fuhren, folgte ihnen einer der TV-Wagen, aber Lucas hängte ihn auf der Interstate schnell wieder ab, indem er sich wie ein Hai durch den abendlichen Stoßverkehr schlängelte.
Unterwegs ließen sie sich über den Stand der Dinge informieren: Sherrill lag immer noch auf dem OP-Tisch; man hatte ihr eine Menge Blut zuführen müssen, aber die Beurteilung ihres Zustands war jetzt ein wenig zuversichtlicher. Tom Olson schlief. Er hatte einen schweren Schock und war desorientiert; man hatte ihn unter starke Beruhigungsmittel gesetzt.
Im Norden der Stadt, in James Bees Haus, hatten die Cops seinen Computer und die Adressenkartei durchforscht. Ein Name stand sowohl in der Kartei als auch auf der Liste der Teilnehmer an Sandy Hansons Party, und ein kompetenter Cop des Departments namens Loring ging dieser Spur nach. Darüber hinaus hatten die Cops im Schlafzimmer von Bees Haus drei Unzen Kokain gefunden. Bee behauptete, es gehöre seiner Frau, der Blondine, die das aber leugnete. Beide wurden gerade ins County-Gefängnis eskortiert.
Sie hatten noch den Durchsuchungsbefehl für das zweite Haus, aber Del schüttelte den Kopf: »Das wäre zu viel für heute«, sagte er. »Wir können es morgen machen, wenn’s überhaupt noch sein muss. Lass uns erst mal mit Bee reden – vielleicht sagt er uns, was wir wissen wollen.«
»Lass uns aber zuvor noch am Krankenhaus vorbeifahren.«
»Das habe ich als
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