Nachtblind
werfen.«
»Ich habe das nicht getan«, sagte Olson. »Ich an Ihrer Stelle würde mal einen näheren Blick auf die vom Satan besessenen Menschen werfen, mit denen Alie’e sich rumgetrieben hat. Diese Leute sind zu solchen Wahnsinnstaten fähig, ich bin es nicht.«
»Sie selbst drehen ja manchmal auch ganz schön durch«, sagte Del. Er schob sich ein paar Zentimeter näher an Olson heran, um in der richtigen Position für einen Schlag auf seinen Solarplexus zu sein.
»Nur Sündern gegenüber«, sagte Olson.
Del spannte die Armmuskeln an. »Ganz ruhig bleiben, Kumpel«, sagte Lucas zu ihm.
»Wo waren Sie heute um sechzehn Uhr zwanzig?«, fragte Del.
Olson sah auf die Uhr. »Da muss ich mal überlegen … Ich war zu dieser Zeit noch in der Mall.«
»Mall of America?«
»Ja.« Alle drei drehten sich um und sahen zu dem Einkaufszentrum hinüber. Es sah aus wie Onkel Scrooges Schatztruhe, allerdings ohne deren Charme. »Ich bin dort zwei Stunden lang rumgelaufen.«
»Was haben Sie gekauft? Haben Sie Quittungen?« Del ließ nicht locker.
»Nein, ich habe nichts gekauft«, antwortete Olson. »Na ja, eine Zimtstange … Ich bin einfach nur rumgelaufen.«
»Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
»Nein, nicht ausführlicher.«
»Mit anderen Worten, Sie könnten niemanden benennen, der Ihre Story bestätigt, wenn Sie darauf angewiesen wären.«
Olson hob die Schultern. »Ich glaube nicht. Ich bin ja wirklich nur dort rumspaziert. Ich war vorher noch nie an so einem Ort. Es ist schrecklich … Unsere ganze Kultur wird ausgelöscht, finden Sie nicht auch? Etwas Neues wird an Orten wie diesem in die Welt gesetzt – etwas Satanisches …«
»Na ja …« Del hob die Schultern. »Und was wollen Sie dagegen tun?«
»Beten«, sagte Olson.
Es gab nichts mehr zu klären, und sie wollten unbedingt wissen, wie es um Sherrill stand. Lucas sagte zu Del: »Lass uns zurückfahren.« Del nickte.
»Wie schade, dass unsere Welt den Bach runter geht«, sagte Del noch zu Olson.
Olson sah zu, wie sie in den Porsche stiegen, ging dann zum Eingang des Motels, drückte die Glastür auf, trat in die Lobby Lucas ließ den Porsche zur Ausfahrt des Parkplatzes rollen. »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl, was Marcy angeht«, sagte er und drückte in einer verzweifelten Geste die Hand aufs Herz.
Del besänftigte ihn: »Sie lebt noch, Kumpel …«
»Mann, ich habe ein verdammt böses Gefühl.« Er bremste an der Ausfahrt ab, ließ einen Wagen passieren, bog auf die Straße ein, fuhr dann langsam auf eine rote Ampel zu, hielt an. »Es ist das zweite Mal, dass sie lebensgefährlich verletzt wurde.«
»Du bist ein paarmal genauso schlimm verletzt worden.«
»Aber ich habe nie einen Schuss in …«
Del fiel ihm aufgeregt ins Wort: »Was soll das denn? Was zum Teufel soll das denn?«
Er starrte durch das Beifahrerfenster, und Lucas lehnte sich vor, um an ihm vorbeisehen zu können. Tom Olson kam über den Motelparkplatz auf sie zugerannt, winkte wie wild mit den Armen. Sie sahen, dass er irgendetwas schrie, waren aber zu weit entfernt, um ihn verstehen zu können. Die Art, wie er angerannt kam, wirkte wie der wilde, strampelnde Zickzacklauf eines Fullback beim Football – als ob Olson sich durch eine Phalanx unsichtbarer Angreifer hindurchkämpfen müsste.
Lucas schaltete den Motor ab; er und Del stiegen aus, sahen zu Olson hinüber. Die Ampel schaltete auf Grün, und der Fahrer des Lexus, der inzwischen hinter ihnen stand, hupte wütend. Lucas runzelte dem Fahrer gegenüber die Stirn und ging zwischen dem Lexus und dem Porsche hindurch auf Olson zu. Als Olson noch etwa fünfzig Meter entfernt war, blieb er plötzlich stehen, lehnte sich vor und stützte die Hände auf die Knie, als ob ihm der Atem ausgegangen wäre. Der Lexusfahrer stieß die Wagentür auf und stieg aus. Seine Luxuskarosse war zwischen dem Porsche und anderen Wagen, die hinter ihm warteten, eingekeilt. Der Fahrer brüllte: »Fahr weiter, du Arschloch!«
Lucas rief zurück: »Polizei – fahren Sie um meinen Wagen herum.« Der Mann drückte jedoch ununterbrochen auf die Hupe und schrie unverständliche Schimpfworte; die Wagen hinter dem Lexus fielen in das Hupkonzert ein. So plötzlich, wie er stehen geblieben war, rannte Olson wieder los, kam jetzt vom Asphalt des Parkplatzes auf eine Grünfläche, im gleichen Moment, als Lucas und Del sie von der anderen Seite erreichten.
Dann, während das Hupkonzert noch anhielt, blieb Olson wenige Meter vor ihnen
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