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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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dem Kopf, dass Melody doch eigentlich hätte Einspruch einlegen müssen, als mich Berta zu ihrer Bridge-Runde eingeladen hat.
    Warum hat sie das nicht getan?
     

 
     
    40. Moulin Rouge
     
    Der Saal verdunkelt sich, der Vorhang wird automatisch geöffnet und ich mache es mir in dem rot gepolsterten Sessel gemütlich. Das leise Surren der Vorrichtung dabei elektrisiert meine Sinne. Gleich, gleich ist es so weit. Ungeduldig warte ich, bis sich der Vorhang vollständig geöffnet hat und die Vorführung beginnt. Endlich – der Dirigent auf der Leinwand beginnt seine Arbeit und ich bin sofort gefangen in den opulenten Melodien des Filmes und der Kraft der Bilder.
    Es beginnt wie immer: Paris 1900 – David Bowies trauriger Song Nature Boy begleitet uns zum Ort des Geschehens. „Lasst euch nicht täuschen, das Böse lauert überall. Wende dich ab von diesem Ort der Sünde . “ Verwirrende Kameraführung geleitet uns durch die Wirren der schwarzweißen Unterwelt und auf einen dunklen, nur von Kerzen erleuchteten Dachboden. Dort, endlich – die Schreibmaschine und ihr vertrautes Klappern beim Anschlag der einzelnen Tasten.
    Im Hintergrund die traurig einfühlsame Stimme des Sängers mit seiner allgemeingültigen Botschaft: „The greatest thing you’ll ever learn, is just to love and in a return …“ Gefolgt von Christians Einführung in tränenschwerer, beinahe gebrochener Stimme: „Das Moulin Rouge: ein Nachtclub, ein Tanzsaal und ein Bordell unter der Herrschaft von Harold Zidler. Ein Königreich des nächtlichen Vergnügens, wohin die Reichen und Mächtigen kamen, um sich mit den Jungen und Schönen der Unterwelt zu vergnügen. Die Schönste von allen war die Frau, die ich liebte – Satin. Eine Kurtisane, die ihre Liebe an Männer verkaufte. Man nannte sie den funkelnden Diamanten und sie war der Star des Moulin Rouge … Die Frau, die ich liebte, ist tot.“
    Ein leises Aufseufzen ist im Saal zu hören. Aha, die Jungfrauen unter uns haben sich geoutet. Um sich von dem Schock zu erholen werden verstohlen Tüten mit Essig- und Salzcrackern oder Taschentücher gezückt – nur für den Fall. Zum Glück legt sich das Geraschel schnell wieder, so dass wir wieder Christians Geschichte folgen können.
    Seine Stimme hat sich gefangen, als er damit beginnt, und die Handlung entspannt sich zusehends. Sie wiegen uns in Sicherheit mit buntgrellen Liedern und dem sanften Dahinplätschern des Plots. Aber Obacht, all ihr Neulinge. Die Taschentücher würde ich schon mal in Griffweite behalten.
     
    „ Nach Paris kam ich das erste Mal vor einem Jahr. Es war das Jahr 1899, der Sommer der Liebe. Ich kannte weder das Moulin Rouge noch Harold Zidler oder Satin. Die Welt war erfasst von der Revolution der Bohème und ich war aus London angereist, um daran teilzuhaben . “
    Die Kamera schwenkt herum und zeigt uns unwirkliche Eindrücke eines heruntergekommenen Dorfes.
    „ Auf einem Hügel unweit von Paris lag das Dorf Montmartre. Es war nicht, wie mein Vater gesagt hatte: ‚das Mekka der Sünde’; sondern der Mittelpunkt der Bohème. Der Musiker, Maler, Schriftsteller. Sie galten als Kinder der Revolution. Ja. Ich war völlig mittellos, hergekommen. Wollte über Wahrheit schreiben, Freiheit und über das, woran ich am meisten glaubte: die Liebe.“ Jahar, ich kann es mitsprechen. Auch ohne den Film. Die Geschichte ist einfach zum Dahinschmelzen. „Allerdings gab es da ein Problem: Ich war noch nie verliebt gewesen.“
    Wieder ein Seufzen in den Reihen . Ja, der Christian ist genauso, wie wir uns unsere Männer wünschen. Nicht wahr, Mädels? Einfühlsam, zärtlich, seiner Liebe treu und – und das ist das Wichtigste: Er vergöttert uns – also Satin .
    „ Glücklicherweise fiel genau in diesem Augenblick ein bewusstloser Argentinier durch die Decke. Zu ihm gesellte sich in kurzer Zeit ein Zwerg, der wie eine Nonne gekleidet war …“
    Gelächter, ungläubiges Stöhnen und vielerlei andere Ausrufe mischen sich unter das Publikum. Ach ja, der wahnsinnig lange Name von Audrey. Die Handlung entfaltet sich vor meinen Augen und ich verliere mich darin. Dass ich einen guten Platz vor der riesigen Leinwand habe, die mein Blickfeld vollkommen ausfüllt, trägt genauso seinen Teil dazu bei wie die Gemütlichkeit des Sessels und die Dunkelheit des Saals. Langsam, ganz langsam schalte ich meine geistigen Filter Stück für Stück auf ein Minimum runter und konzentriere mich vollkommen auf den Film. Wir sind im Kino, da wird schon

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