Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
tatsächlichen Leben gibt.
Meist sind es kleine, unscheinbar wirkende Personen, die sich wie Schlangen im Hintergrund halten und dann aus der Deckung heraus zubeißen, wenn man es am wenigsten erwartet. Noch viel schlimmer ist aber, dass man vorher ganz genau weiß, dass sie so handeln werden, und dennoch nichts dagegen tut, dass sie einem zu nahe kommen. Weil man es ihnen eigentlich gar nicht zutraut.
Irgendwie erinnert sie mich an Loren und ein leichter Schauer läuft mir über den Rücken. Ben wäre dann der Duke und wer hätte die Rolle der Satin inne? Das wäre dann wohl ich – nur dass ich am Ende nicht sterbe und mich nicht in den Anwalt … äh Schriftsteller verliebt habe. Natürlich meine ich den Schriftsteller und nicht Anwalt – beinahe lache ich hysterisch auf. Das wäre absolut lächerlich.
Vielleicht sollten wir Sharroll den Part der Satin überschreiben …
Am liebsten hätte ich jetzt einen Fünf-Liter-Becher Popcorn. Mindestens, wenn nicht sogar noch mehr. Aber das wäre nicht nur unbefriedigend, sondern auch völlige Geldverschwendung. Also kuschele ich mich noch tiefer in den Sessel und verfolge die Handlung in stiller Vorfreude. Ich weiß ja schließlich, was jetzt kommt.
„ Verlieb dich nie in eine Frau, die bereit ist, ihren Körper zu verkaufen. So etwas endet immer böse.“ Na endlich sagt es mal jemand! Also eine stumme Nachricht an die Bens und Alex’ und wie auch immer sie irgendwann heißen werden in dieser Welt: „Zuerst ist es Verlangen, dann Leidenschaft, dann Misstrauen, Eifersucht, Zorn, Verrat. Wo Liebe dem gehört, der am meisten bieten kann, gibt es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen gibt es keine Liebe! Eifersucht treibt dich in Wahnsinn!“
Ach, wie gerne hätte ich einen guten Tanzpartner für den Tango de Roxanne ,den Tanz aus den Bordellen von Buenos Aires. Meine Füße haben ihn so oft in Gedanken ausgeführt, dass ich ihn auch so könnte. Er spricht mir einfach aus der Seele – der Tangokurs, den ich vor nicht allzu langer Zeit bei einem feurigen Mexikaner genommen habe, hat natürlich auch zu dessen Perfektion beigetragen. Der hatte mal … Geschmack.
Also, Lauscher aufstellen und zuhören: Ich bin die verdammte Roxanne aus Buenos Aires und es gibt einfach kein Exklusivrecht an mir. Nehmt euch das gefälligst zu Herzen! Habe ich schon erwähnt, dass mir dieser Film in Fleisch und Nieren übergegangen ist? Nicht nur dass ich die Dialoge alle auswendig kann, noch einen Teil der Klamotten habe, die zu einer echten Moulin Rouge Party gehören, und den Tango dazu tanzen kann – ich wüsste notfalls auch Mittel und Wege, ganz in diese Welt abzutauchen.
Aber wofür? Was wären schon zehn oder 20 Jahre gefangen in einer Scheinwelt ohne Ausgang? Ständig unter einer Maske strahlenden Lächelns und immerwährenden Vergnügens? Die Farbe blättert schnell von alldem ab, und von einem selbst ebenfalls. Auch wenn ich äußerlich nicht altern mag, so tue ich es doch innerlich und manchmal, in Momenten wie diesen, spüre ich die vielen verschiedenen Bekanntschaften auf mir liegen wie tonnenschwere Eisenbänder, die meine Seele zerdrücken.
„ Du bist eine großartige Schauspielerin. Tue ihm weh, um ihn zu retten. Lass ihn glauben, dass du ihn nicht mehr liebst.“ Ich kriege Gänsehaut bei der Szene und vor allem bei der filmisch umgesetzten Form von Show must go on . „Da ist irgendetwas anderes. Sage mir, was los ist! Sage mir die Wahrheit!“ Ja, Christian kämpft um sie. Na endlich.
Mit der Untermalung eines riesigen Gewitters steuern wir auf das große Finale zu.
„ Du hast mich glauben lassen, dass du mich liebst. Also kann ich dich auch bezahlen.“ So oder so ähnlich habe ich das auch schon mal gehört. „Lass mich bezahlen! Sage mir, dass du mich nicht liebst!“ Ergreifend und doch so wahr! Einer der Gründe, warum ich meine Jobs einfach nicht an mich heranlasse. „Dieses Weib gehört jetzt Ihnen. Ich habe meine Hure bezahlt. Ich bin dir nichts mehr schuldig und du bedeutest mir nichts. Danke, dass du mich von meiner lächerlichen Liebesbesessenheit befreit hast!“ Ein großer Abgang, der zum Glück nicht endgültig ist. Die Spannung im Saal ist beinahe unerträglich.
Sie baut sich ins Unermessliche auf, bis hin zum eigentlichen Finale. Aaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!! Das verbotene Liebeslied. Gleich heule ich wieder und ja, ich kann es. Verdammt nochmal! Und dabei ist es nur der Auftakt zum Happy End; okay, zum vorgetäuschten Happy End,
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