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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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nichts passieren.
     
    „ Ich würde mein erstes Glas Absinth trinken.“ Sie trinken und sofort erscheint die kleine grüne Fee, im Film als real. Ein passender Beiname für dieses Gebräu, und das nicht nur wegen seiner charakteristischen Färbung, die sich bei der entsprechenden Zubereitung einstellt. „Ich bin die grüne Fee …“, erklärt sie zwinkernd und wiegt die Charaktere im Film in Sicherheit – das kleine Mistbiest!
    Ein leises Seufzen entringt sich meiner. Ein Teufelszeug – ganz ehrlich. Ich bin wirklich so einiges gewöhnt, aber Absinth bringt selbst meinen Organismus auf Touren, von meinem geistigen Innenleben mal ganz abgesehen. Zudem bringt die Mischung aus Alkohol, Wermut, Anis und Fenchel einen bezaubernd verbotenen Beigeschmack ins Blut. Es ist ein bisschen so, als würde man flüssigen Sternenstaub aufnehmen, der sich langsam seinen Weg durch den Organismus bahnt und mit seinem einzigartigen Glanz alles überschwemmt.
    Auf Absinth sind mir schon so manche Eingebungen gekommen und ich muss zugeben, dass ich mich an das eine oder andere nicht mehr erinnere. Normalerweise suche ich mir einen Vertrauenswürdigen, mit dem ich diesen Rausch teile, oder ich lasse es ganz sein. Problematischerweise kann ich so schnell nicht mehr aufhören zu trinken, wenn ich den einzigartigen Beigeschmack bemerke.
    Während ich die wilde Party der Cancan-Tänzerinnen vor mir verfolge und mich in Gedanken daruntermische, steigt in mir der leise Wunsch auf, mal wieder einen guten Absinth in die Hände zu bekommen. Zum Glück ist es in Europa nicht verboten und ich werde versuchen, an einen qualitativ Hochwertigen zu kommen. Aber genug davon. Satin zu beobachten ist wie einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Nur dass ich keine Schauspielerin bin und auch nie eine werden wollte. Auch das Singen überlasse ich talentierteren Personen. Aber sonst.
     
    Oha – eine kritische Szene. Das Drama kündigt sich zum ersten Mal an, als Satin von der Schaukel fällt und später Blut hustet. Es nimmt mich mit, auch wenn ich mir jedes Mal fest vornehme, dass es nicht so sein wird. Aber ich kann einfach nichts dagegen tun. Die Einrichtung ihres Empfangszimmers ist immer noch malerisch. Zu meinen aktiven Moulin Rouge Zeiten hatte ich auch so ein Zimmer – na gut. Beinahe so eines.
    „ Ich würde es lieber vorher hinter mich bringen …“ Ach, diese Wortspiele. Herrlich. Er spricht von seinem Gedicht und sie denkt, dass er mit ihr schlafen möchte. „Ja, ich will deine Poesie – jetzt gleich.“
    Herrlich, wie sich die Szene aufbaut. So etwas gibt es nur auf der Leinwand, oder? Plötzlich bin ich mir der leeren Plätze neben mir bewusst und ein merkwürdiges Gefühl überkommt mich. „You can tell everybody, this is your song …“ – eine kleine Träne stiehlt sich in meine Augen und ich wische sie fort. So etwas Dummes.
    Die Stimmung im Saal steigert sich zusätzlich zu meiner eigenen und ich lasse mich auf den Wogen der Emotionen meiner Mit-Zuschauer tragen.
     
    Aber halt, was ist das? Die Spur einer bekannten Aura taucht darin auf und ich kann es nicht glauben. Nein, will es nicht glauben. Für einen Moment bin ich unfähig mich zu bewegen und meine Verbindung mit dem Saal zu kappen. Es kostet mich enorme Kraft und für einen Augenblick verfluche ich mich selbst. Von wegen, im Kino kann ja nichts passieren. Auf einem Schiff mit begrenzten Möglichkeiten und der Info, dass ich heute hier in den Film gehen wollte. Das hier ist einfach noch nicht vorbei – aber darum kümmere ich mich später.
     
    Also zurück zum Film:
    „ Ich bin Schriftsteller.“ Was nun kommt, kühlt nicht nur die Zweisamkeit im Film ab, sondern auch meine merkwürdigen Emotionen. Überhaupt nimmt mich der Film mehr mit als gewöhnlich. Mich zusammenreißend folge ich der improvisierten Vorstellung des Stückes und beobachte Satin und Christian dabei, wie sie den Duke an der Nase herumführen.
    Gerade als der erste Höhepunkt hinter uns liegt und man klammheimlich davon überzeugt ist, dass sie es schaffen und der Duke leer ausgeht, kündigt sich die Katastrophe, gefolgt vom großen Down im Film an. Es beginnt ganz harmlos mit: „Ein ganz dummes Ende ist das. Warum sollte sich die Kurtisane in den Dichter verlieben? Ups, ich meine natürlich in den Zitherspieler?“ Oh, diese dumme, dumme kleine Hexe, die dem Duke die Augen öffnet. Aber die ist ja schon den ganzen Film über so gehässig. Das Schlimme ist, dass es solche Leute immer auch im

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