Nachte des Sturms
vielleicht setzen. Nein, ich kann nicht. Bleiben wir besser einfach stehen.« Sie strahlte bis über beide Ohren. »Trinken wir auf den Verkauf deines ersten Liedes!«
20
S ein verwirrtes Lächeln schwand. »Ich habe was?«
»Du hast einen Käufer für dein erstes und sicher auch für eine ganze Reihe weiterer Lieder. Aber der Verkauf des allerersten Liedes ist einfach am aufregendsten, findest du nicht auch?«
Vorsichtig stellte er sein Glas auf die Anrichte. »Ich habe keins meiner Lieder jemals angeboten, Brenna.«
»Aber ich. Und zwar das Lied, das du mir geschenkt hast. Ich habe es diesem Magee geschickt. Er hat mich heute angerufen, und gesagt, er will es kaufen. Außerdem würde er sich gern auch deine anderen Arbeiten ansehen.« Sie wirbelte herum, zu aufgeregt, um zu erkennen, dass seine Miene sich deutlich abgekühlt hatte. »Ich war mir nicht sicher, ob ich es bis heute Abend aushalten würde, ohne dir davon zu erzählen.«
»Welches Recht hattest du, so etwas zu tun?«
Immer noch strahlend fragte sie: »Was zu tun?«
»Meine Musik nach Amerika zu schicken – mit etwas, was mir gehört, einfach bei Fremden zu hausieren?«
»Shawn.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Er will es kaufen.«
»Ich habe dir das Lied gegeben, weil du mich darum gebeten hast – weil ich dachte, du wolltest es für dich, du würdest es als das wertschätzen, was es ist. Hattest du etwa die ganze Zeit geplant, es irgendwo hinzuschicken, damit ein völlig Fremder seinen Wert bestimmt?«
Etwas lief falsch, gefährlich falsch. Die einzige Art, in der sie damit umzugehen wusste, war Wut. »Und wenn schon? Schließlich hatte ich damit Erfolg, oder etwa nicht? Was nützt es, wenn du deine Lieder schreibst, ohne dass du jemals etwas damit anfängst? Jetzt stehen dir alle Türen offen.«
Wie so häufig wurde seine Stimme mit Brennas zunehmender Hitzigkeit immer kälter. »Und du entscheidest, wie und wann ich etwas tue, wie und wann ich etwas kann und soll?«
»Du hast doch nie etwas getan.«
»Woher willst du wissen, was ich tue oder nicht?«
»Hast du nicht tausendmal gesagt, du wärst noch nicht bereit zu versuchen, deine Musik tatsächlich zu vermarkten?«
Sobald die Worte heraus waren, erkannte sie sie als Fehler; doch noch während sie überlegte, wie sie am besten abzuschwächen wären, fuhr er sie rüde an. »Genau, das habe ich gesagt. Aber das hat dir natürlich nicht gepasst, es hat deiner Vorstellung vom Lauf der Dinge widersprochen. Was nützt es, hast du dir gedacht, wenn er damit nichts verdient. Wenn er am Ende seiner Arbeit nichts dafür bekommt.«
»Es geht nicht um das Geld –«
»Meine Musik ist etwas ganz Privates«, unterbrach er unfreundlich. »Ob ich damit jemals was verdiene oder nicht, ist mir vollkommen egal. Das kannst du anscheinend nicht verstehen. Du respektierst weder die Einstellung, die ich gegenüber meiner Musik habe, noch respektierst du mich selbst, so wie ich bin.«
»Das ist nicht wahr.« Allmählich mischte sich in ihren Zorn ein weiteres Gefühl. »Ich wollte nur, dass du was davon hast.«
»Ich hatte auch so etwas davon.«
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie einen derart kalten, kontrollierten Zorn über sich ergehen lassen müssen. Shawns Miene war vollkommen reglos und sein Blick hart wie Stahl. Sie fühlte sich wie ein kleiner Käfer, der es nicht mal wert war, dass jemand ihn zertrat. »Um Himmels willen, Shawn, du solltest einen Freudentanz aufführen, statt derart auf mich einzuschlagen. Der Mann will dein Lied kaufen. Er denkt, es sollte aufgenommen werden.«
»Dann sind dir seine Gedanken also wichtiger als meine?«
»Oh, du drehst mir jedes Wort im Mund herum. Da bietet dir jemand ein Riesenchance, und vor lauter Starrsinn willst du sie nicht ergreifen.« Sie fuhr sich mit zitternden Händen durch das Haar. »Hast du nicht auch dafür gesorgt, dass der Mann meine Skizzen für das Theater zu sehen bekommt?« Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass sie an das, was dieser Magee über ihre eigene Arbeit gesagt hatte, in der freudigen Erregung über sein Interesse an Shawns Lied, gar nicht mehr gedacht hatte.
»Das stimmt«, antwortete Shawn. »Aber kannst du denn nicht sehen, dass das etwas vollkommen anderes war? Ich habe dich gefragt, ob du ihm nicht deine Pläne zeigen willst, statt sie einfach hinter deinem Rücken an ihn zu schicken.«
Allmählich erkannte sie ihren Fehler, und gleichzeitig mit dem Verstehen empfand sie nackte Furcht. »Du hast nie gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher