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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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nicht selbst entwickelt hatte.
    Roz zog einen Stuhl heran, setzte sich neben ihn und sah auf den Bildschirm. »Gemma suchte etwas, und ich glaube, Holbrook wollte verhindern, dass sie es fand.« Sie hatte ihm von Holbrook und seiner plötzlichen Unfreundlichkeit erzählt, und wie er versucht hatte, sie irrezuführen. »Er sollte mich hier treffen«, sagte sie. »Er hat den späten Zeitpunkt für das Treffen selbst festgelegt, und dann ist er nicht erschienen. Aber jemand war hier, in der Abteilung. Es war seltsam …«
    »Vielleicht hast du dir das nur eingebildet.« Aber er nahm ihre Hand. »Ich bleibe bei dir, Bishop. Wenn hier irgendetwas Verdächtiges ist, dann klären wir das. Keine Bange.« Er küsste die Handfläche und schloss ihre Hand darüber. Dann wandte er sich wieder dem Bildschirm zu. »Also – wonach sollen wir suchen?«
    Sie durchsuchten das Archiv zuerst nach den Wörtern und Ausdrücken, die Gemma in der Niederschrift mit Fragezeichen versehen hatte. Jugun , das Wort, das Holbrook als russisches Wort bezeichnet hatte, was Greenhough abstritt. Dazu war nichts zu finden. Dann versuchten sie es mit dem seltsamen Ausdruck Ba-yi-n-sal. Laut Holbrook ein russischer Ausdruck aus der Umgangssprache, aber nach Greenhoughs Meinung nichts dergleichen. Auch dazu fanden sie nichts. Genervt versuchte es Roz mit cat und cats . Nichts. »Wenn er nicht wollte, dass sie es fand, hat er es wahrscheinlich gelöscht«, sagte Luke.
    »Kannst du nachsehen? Mit deinem Trick für gelöschte Daten?« Roz hatte nicht erwartet, dass sie das, was sie suchten, wirklich schnell finden würden, aber trotzdem war sie frustriert.
    Luke bewegte sich jetzt innerhalb des Systems und bekam ein Gefühl dafür, wie das Archiv funktionierte. »Es sieht eigentlich ganz einfach aus«, sagte er. »Es ist nicht so leistungsfähig wie das, welches wir entwickeln.« Er dachte über ihre Frage nach. »Hat der Typ – wie hieß er noch mal –, hat er dir nicht gesagt, es sei eine neue Version, oder so was?«
    »Sean. Na ja, er nannte es eine Pilotversion. Holbrook sei noch dabei, sie zu überarbeiten.« Sie versuchte, sich zu erinnern, ob Sean noch etwas gesagt hatte.
    »Okay«, sagte Luke. »Aber das heißt, wenn etwas gelöscht ist, wurde es vielleicht herausgenommen, bevor dies hier zusammengestellt wurde. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass hier größere Veränderungen vorgenommen wurden.«
    »Könntest du dir nicht die Programmierung ansehen?«, fragte sie.
    »Nicht ohne den Quellentext. Und das würde auch … Lass uns mal sehen, was das Programm kann und was nicht. Vielleicht finden wir auf diese Art etwas.«
    Sie arbeiteten eine Stunde lang. Holbrooks Programm war so angelegt, dass der Forschende so viel Information wie möglich darüber bekam, wie russische Muttersprachler ihre Sprache benutzten. Man konnte Fragen nach verschiedenen Aussprachevarianten stellen, nach russischen Dialekten, nach der Zunahme von Amerikanismen. Aber es gab keine Hinweise auf das, was Gemma gesucht hatte. Nach einer Stunde hielten sie inne. Sie hatten versucht, die unklaren Stellen der Tonbandabschrift zu klären. Ohne Ergebnis. Sie hatten nach Hinweisen gesucht, dass vor kurzem Einträge gelöscht worden waren. Nichts. Sie hatten nach Besonderheiten in der Arbeitsweise des Programms gesucht. Nichts.
    Luke rieb sich das Gesicht. Sie waren beide müde. »Was willst du jetzt tun?«, fragte er.
    Roz schüttelte den Kopf. Sie waren besorgt und abgespannt. Sie hatte das Gefühl, die Zeit laufe ihr davon. Wie lange könnte es dauern, bis die Polizei irgendetwas finden würde, das ausreichte, um Luke mit Gemmas Tod in Verbindung zu bringen? Sie wusste ebenso gut wie jeder andere, dass das Justizsystem nicht unfehlbar und es sehr schwierig war, gegen einen Justizirrtum vorzugehen. Plötzlich sah sie ihre Zukunft vor sich: Ihr Mann im Käfig seiner Krankheit gefangen, ihr Freund hinter Gittern. Sie merkte, dass Luke etwas gesagt hatte. »Bitte?«
    »Kaffee«, wiederholte er. »Ich mach uns mal Kaffee. Wir werden ihn schwarz trinken müssen, okay?« Sie nickte zerstreut und starrte den Monitor an. Was immer Gemma gesucht hatte, war da drin.
    Es musste eine Möglichkeit geben, es zu finden. Sie schloss die Augen und ließ ihre Gedanken schweifen. Jugun. Ba-yi-n-sal . Was war das, und was bedeutete es? Was sagte die Frau so Wichtiges? Eines der Probleme war, dass das Programm sich nach der Phonetik richtete. Aber sie wussten nicht, wie die Wörter oder Ausdrücke

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