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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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Menschenhandel aufzuklären. Aber Lynne, hier geht es um Mord. Das hat Priorität.«
    Nasim Rafiq würde genau wissen, woher Farnhams Kenntnisse stammten. Das zerbrechliche Vertrauen, das Lynne aufgebaut hatte, würde zerstört werden, wenn Farnham sie bei der Befragung wegen Gemma Wisharts Mörder unter Druck setzte. Und die Munition, die er benutzen würde, stammte von Lynne. Ihre sorgfältige Vorarbeit würde zerstört werden, und Nasim Rafiq auf der Strecke bleiben. Sie unterdrückte energisch ihren Ärger, der nicht weiterhelfen würde, und überlegte rasch. »Wenn ich gewusst hätte, dass du so schnell vorgehst, hätte ich darauf gedrungen, Garantien für sie auszuhandeln.«
    »Ich weiß. Das hast du mir gesagt.« Er sah auf sie hinunter, seine Stimme klang bedächtig und sachlich.
    Lynne kam blitzartig der Freitagabend in den Sinn, und sie errötete. Genau deshalb war sie davor auf der Hut gewesen, ihre Arbeit und das Privatleben zu vermischen. Aber es war ihre Entscheidung gewesen, und sie musste die Konsequenzen tragen. »Ich will bei dem Verhör dabei sein«, sagte sie. Rafiq war ihre Zeugin.
    »Ich hätte dich sowieso darum gebeten«, sagte er. »Aber ich will die Sache schnell und sicher abwickeln. Matthew Pearse scheint verschwunden zu sein.«
    Lynne wurde unruhig, und ihr Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken an den Mann mit der sanften Stimme und den eindrucksvollen Augen. »Seit wann?«
    »Erst seit gestern Abend«, sagte Farnham. »Er sollte eigentlich in der Beratungsstelle sein, aber als wir nach ihm suchten, war er nicht da. Zu Hause ist er auch nicht gewesen. Niemand hat ihn gesehen.« Er sprach in nüchternem Ton, aber es war klar, was dies bedeutete.
    Sie begriff, warum er die Sache so dringend fand, und konnte nichts mehr dagegen sagen. Er sah sie ungeduldig an, wollte weitermachen. »Und die Beratungsstelle?«, fragte sie.
    »Ich habe Durchsuchungsbefehle.«
    Na, vielen Dank, Farnham! Sie schwieg einen Moment und versuchte, ihren Ärger unter Kontrolle zu bekommen. »Ich dachte, du würdest mich auf dem Laufenden halten«, sagte sie.
    »Ich informiere dich jetzt, Lynne, deshalb führen wir dieses Gespräch. Wir durchsuchen Pearse' Wohnung und die Beratungsstelle. Schließt du dich uns an?«
    Sie holte tief Luft. »Ich bin dafür, natürlich.« Was immer in der Beratungsstelle passierte, würde jetzt aufhören. Sie war zu vorsichtig gewesen, hatte auf etwas gewartet, das ihr klarere Hinweise geben würde, und hatte jetzt nichts mehr in der Hand, um ihn zu stoppen.
    Als sie Farnham den Korridor entlang folgte, ging ihr Matthew Pearse' Gesicht nicht aus dem Sinn. Sie erinnerte sich an seine unterdrückte Wut und an das Mitgefühl in seiner Stimme, als er von der Not der ins Land geschmuggelten Frauen gesprochen hatte, die unter den Verbrechen litten und zugleich mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Aber wenn er ihnen bei der Flucht geholfen und andere illegale Einwanderer dabei unterstützt hatte, ihren Schulden bei den Schleppern zu entkommen, dann hatte er sich gefährliche Feinde geschaffen. Sie dachte an Katja und ihren einsamen Tod. Es war gleichgültig, wie der Obduktionsbericht ausfiel, Katja war ermordet worden. Ihre ganze bisherige Erfahrung sagte ihr das. Katja, eine unbekannte Prostituierte, war entbehrlich, Matthew Pearse hatte als Einziger nicht so gedacht. Sie fragte sich, ob der sanfte Mann mit dem gekrümmten Rücken und dem entschlossenen Blick eine Ahnung hatte, wie gefährlich die Leute werden konnten, denen er sich entgegenstellte.
    Aber bei dem Gespräch mit ihr hatte er sich benommen, als sehe er eher sie als gefährlich an.
    Sheffield, Sonntag
    Das Stockwerk N war leer, der Korridor nur schwach erleuchtet. Als Roz aus dem Aufzug stieg, war ihr nicht ganz wohl, sie dachte an den Freitagabend zurück. Luke sah sich stirnrunzelnd um, als kehre er an einen Ort zurück, der irgendwie nicht in seine Erinnerung passte. Roz ging in ihr Büro. Die CD-ROM mit dem Archiv, die Sean ihr vor zwei Tagen gegeben hatte, war in ihrer Schreibtischschublade. »Gehen wir in den Computerraum«, sagte Luke.
    Er zeigte kaum eine Reaktion auf die umgeräumten Möbel und die Kartons, die hier in Erwartung von Joannas neuen Mitarbeitern herumstanden. »Sie hat's eilig«, sagte er nur. Er lud das Archiv auf seinen Computer und fing an, mit dem Programm herumzuexperimentieren. »Nicht schlecht«, sagte er nach ein paar Minuten, was das höchste Lob war, das er jemals einem Programm aussprach, das er

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