Nachtfalter
sofort in die Arbeit. Er schlägt die Bücher auf und weiß sogleich, wo er suchen muß. Er wirft einen raschen Blick auf die Zahlenkolonnen und geht, da vorerst nichts seine Aufmerksamkeit zu fesseln vermag, zu den weiteren Unterlagen über. Ich lasse ihn in aller Ruhe seine Arbeit tun und schlendere durch die beiden Räume, in denen der Fußballverein Triton residiert. Der eine ist das Büro des Geschäftsführers, mit einem Schreibtisch und zwei Büroschränken. Darin befinden sich ordentlich aufgereiht die Verträge der Spieler, die Gehaltslisten, der Vertrag über den Trainingssportplatz der Mannschaft und die Korrespondenz mit dem Griechischen Fußballbund. Der andere Raum ist eine Art Abstellraum für Fußbälle, Trainingsanzüge und Fußballschuhe. Ich erwarte nicht, irgend etwas zu finden. Ich suche einzig und allein deswegen, um meiner Rolle als schnüffelnder Bulle gerecht zu werden. Der Buchhalter bleibt in Kelessidis’ Nähe, während Selemoglou mir auf den Fersen folgt. Er hat wohl Angst, ich könnte heimlich einen Fußball als Souvenir verschwinden lassen.
»Wie sind diese Summen in der Kasse verbucht worden?« höre ich Kelessidis fragen.
»Als Abhebung vom Bankkonto«, antwortet der Buchhalter.
»Bringen Sie mir doch die Kontoauszüge.«
Ich wittere Morgenluft und begebe mich ins Nebenzimmer. Der Buchhalter findet die Belege in einem Aktenordner. Kelessidis überfliegt sie und streckt mir dann den einen Kontoauszug wortlos entgegen. Ich greife danach und versenke mich darin. Es handelt sich um den Beleg einer Abhebung über zwanzig Millionen Drachmen.
»In den Geschäftsbüchern haben Sie zwei Buchungen durchgeführt. Einmal über fünf Millionen und eine weitere über fünfzehn Millionen. Warum haben Sie nicht die Gesamtsumme verbucht, da sie ja auch auf einen Schlag abgehoben worden ist?« wundert sich Kelessidis.
Der Buchhalter dreht sich zu Selemoglou um und blickt ihn an. »Die fünf Millionen waren für die Lohnzahlungen der Spieler, des Trainers und des übrigen Personals gedacht. Es war der Monatserste, und wir mußten die Gehälter auszahlen.«
»Und die anderen fünfzehn?« frage ich.
»Die hat Herr Koustas behalten«, mischt sich der Buchhalter ein. »Deshalb habe ich sie extra verbucht.«
Der erste September war der Tag, an dem Koustas ermordet wurde. Am Morgen war er zur Bank gegangen, hatte zwanzig Millionen vom Konto des Fußballvereins abgehoben, fünf davon für die Gehaltszahlungen weitergereicht und die anderen fünfzehn für sich behalten. Und ich suchte die ganze Zeit auf den Bankkonten seiner Nachtklubs nach der ominösen Abhebung.
»Hat er das oft getan?« frage ich Selemoglou. »Geld vom Bankkonto des Vereins für persönliche Zwecke abgehoben?«
»Ab und zu schon, doch nicht so hohe Summen. Ein bis zwei Millionen, höchstens drei.«
»Was wollte er denn auf einmal mit so viel Geld?«
»Ich habe ihn nicht danach gefragt, Herr Kommissar. Das stand mir nicht zu. Der Verein gehörte ihm, er konnte damit tun und lassen, was er wollte.«
»Schließen Sie aus, daß er das Geld für Vereinszwecke verwenden wollte?«
Er lacht auf. »Wir spielen doch in der Regionalliga, Herr Kommissar. Dies ist ein kleiner Laden und kein Großunternehmen. Bei uns geht es nicht um hohe Summen.«
Folglich steckte er das Geld ein, um es jemand anderem zu übergeben. Und er hatte die Summe am Abend des Mordes in seinem Wagen deponiert. Deswegen trat er allein vor den Eingang des Rembetiko. Er wollte nicht, daß seine Leibgarde den Handel mitbekam. Bei Nacht und Nebel überreicht man eine solche Summe nur jemandem, der einen durch irgend etwas in der Hand hat. Und dieser Jemand war mit Sicherheit nicht Petroulias, der bereits tot war. Koustas besaß zwei Nachtlokale, ein Nobelrestaurant und eine Fußballmannschaft. Allesamt legale Unternehmen. Sein Familienleben verlief in geordneten Bahnen. Sein Sohn hatte gerade, zumindest der Form halber, einen Drogenentzug hinter sich. Was verbarg sich hinter dieser glatten Fassade, das Anlaß für eine Erpressung bieten konnte? Mit einem Mal geht mir der Gedanke, der mir in der Wohnung der Kousta gekommen war, nicht mehr aus dem Kopf. Was war, wenn man ihn erpreßte, weil man in Erfahrung gebracht hatte, daß sein Sohn den Schiedsrichter umgelegt hatte? Wäre es aber in diesem Fall nicht zielführender gewesen, Makis direkt zu erpressen? Im Endeffekt hätte man doch mit ihm, einem labilen Fixer, ein viel leichteres Spiel gehabt. Dagegen spricht, daß
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