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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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daß mir der ganze Aufruhr, trotz des eingenommenen Interal, wieder Herzrasen verursachen könnte.
    Dermitzakis gelingt es, zunächst die vier Bälger zu entfernen und dann, nach einigem Aufwand, die dicke Schwarze. Die Bälger drängeln sich in eine Ecke und blicken entgeistert auf ihre Mutter.
    Ich trete auf die Schwarze zu, die von Dermitzakis festgehalten wird, und tippe ihr sachte auf die Schulter. Danach sage ich »Obique« und klopfe mir mit dem linken Zeigefinger auf die Lippen, um ihr zu verstehen zu geben, daß ich mit ihm sprechen möchte. Ihr Gekreische ist in ein einförmiges Klagelied übergegangen, Tränen kullern aus ihren Augen. Mit einer Kopfbewegung deutet sie auf das Innere der Wohnung.
    Wir treten in ein kleines Wohnzimmer, vier mal vier Quadratmeter, das an den Verkaufsstand eines Wanderhändlers auf einem Kirchweihfest erinnert. Der Boden ist mit billigem Plastikspielzeug übersät, auf den beiden mit Stoff bezogenen Stühlen häufen sich Kleidungsstücke, der Tisch ist mit dem Überzug eines Bügelbretts bedeckt, darauf thront ein elektrisches Bügeleisen. Ein durchdringender Geruch steigt uns in die Nase, ein Gemisch aus Knoblauch und Zwiebeln, als bereiteten sie Stockfisch mit Knoblauchsoße und Kalbsgulasch gleichzeitig zu.
    Die Frau öffnet eine zweite, in ein weiteres Zimmer führende Tür, und wir treten ins Schlafzimmer. Ein mittelgroßer Schwarzer von kräftiger, durchtrainierter Statur liegt ausgestreckt auf dem Bett. Sein rechter Fuß steckt bis zum Knie in einem Gipsverband. Seine Kinder haben mit Filzstiften Männchen, Häuschen, Bäume und Wolken auf den Verband gemalt. Links und rechts des Bettes liegen zwei breite Matratzen auf dem Boden, auf denen die Kinder je zu zweit schlafen können.
    »Sind Sie Obique?« frage ich auf griechisch.
    Er nickt. Sein Blick ist genauso entgeistert wie der seiner Frau, nur daß er nicht mit Geschrei und Klagen reagiert. Die Schwarze zischt ihm rasch etwas zu.
    »Wieso ist Ihre Frau so erschrocken?« fragt Dermitzakis.
    »Ich verletzt, ich nicht spielen«, entgegnet er in gebrochenem Griechisch. »Ich Angst, Herr Kalojirou schicken Polizei, uns rausschmeißen. Ich nehmen Geld, schicken Nigeria, leben zwei families . Nicht schicken Geld, families no food . Nicht spielen, Herr Kalojirou mich rausschmeißen – no food. «
    Warum sollte er ihn rausschmeißen? Er zahlt ihm doch ohnehin nichts.
    »Keine Angst, wir sind nicht von der Ausländerbehörde«, sage ich. Das Herzklopfen und der Ausbruch der Schwarzen haben dazu geführt, daß ich selbst mein bißchen Pidgin-Englisch vergessen habe und mir das Wort für Ausländerbehörde nicht einfallen will. »Erinnern Sie sich an das Match in der letzten Saison, in dem Sie gegen Triton gespielt haben?« Er nickt bestätigend. »Als Sie das Spielfeld verließen, haben Sie gesehen, wie der Schiedsrichter mit dem Boss von Triton gestritten hat. Wir wollen wissen, worüber sie sich gezankt haben.«
    »Gezankt?« Er versteht das Wort nicht.
    »Fight« , meint Dermitzakis. »Boss Triton fight mit Schiedsrichter.«
    Er zuckt zurück und blickt mich furchtsam an.
    »Keine Angst«, sage ich. »Herr Kalojirou schickt uns. Er hat uns gesagt, daß Sie alles gesehen haben.«
    Dieser Hinweis scheint ihn zu erleichtern. Er denkt ein wenig nach und entschließt sich, den Mund aufzumachen. »Ich gehen raus und hören«, sagt er dann.
    »Was haben Sie gehört?«
    »Boss Triton sagen zu referee ›du das bezahlen‹.«
    »Das wirst du mir bezahlen?«
    »Yes.«
    »Und was hat der Schiedsrichter darauf gesagt?«
    »Hat gelacht. Sagen ›du mir nichts machen, ich dir geben rote Karte, dich aus Spiel ausschließen‹.«
    »Er hat wohl gemeint, er würde einen seiner Spieler mit einer roten Karte vom Feld schicken?« präzisiert Dermitzakis.
    »Yes.«
    »Und dann?«
    »Boss Triton packen referee, like this «, und er zupft mit beiden Händen an seinem Pyjama, um zu demonstrieren, wie Koustas Petroulias am Schlafittchen packte. »Er sagen: undak… undak…«
    Er sucht nach dem passenden Wort, doch er bringt es nicht heraus.
    »Du Undankbarer?«
    » No . Er sagen, Undank ist Lohn.«
    »Undank ist der Welt Lohn?«
    »Yes« , ruft er begeistert. »Und er gehen weg.«
    Der Knoblauch- und Zwiebelgeruch zieht bis zu uns herüber und bringt mich zum Niesen. Die Geruchsschwaden drohen mich zu ersticken, und ich würde am liebsten Hals über Kopf die Flucht ergreifen. »In Ordnung, wir sind fertig«, sage ich zu Obique und bedeute

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