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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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sie wußten, wo das dicke Geld zu holen war, nämlich bei seinem Vater. Deshalb wandten sie sich an Koustas. Was bewog sie jedoch dazu, ihre Taktik zu ändern und ihn umzubringen? Sein Mörder dachte nicht einmal daran, das Geld mitgehen zu lassen. Er ließ es einfach liegen und floh. Hätte er nicht zuerst das Geld entgegennehmen und danach zuschlagen müssen? Mit diesem Gedankengang komme ich bis zu einem gewissen Punkt, aber nicht weiter.
    Der Ausflug nach Tambouria, die Rückkehr zum Alexandras-Boulevard und die darauf folgende Weiterfahrt nach Monastiraki haben meine Kräfte ausgelaugt, und mein Geduldsfaden ist drauf und dran, endgültig zu reißen. »Gehen wir«, sage ich zu Kelessidis. »Das war’s für heute.«
    Er sitzt immer noch über die Bücher gebeugt. Er hebt den Kopf und blickt mich an. »Können wir noch fünf Minuten bleiben?«
    »Wozu? Haben Sie noch was entdeckt?«
    »Nein, aber ich möchte einer Sache auf den Grund gehen. Sehen Sie mal her«, meint er und deutet auf eine Reihe gleichförmiger Einträge. »Sponsor: 20 Millionen.«
    »Jeden Monat hat ein Sponsor zwanzig Millionen auf das Bankkonto des Fußballvereins überwiesen.«
    »Welcher Dussel schmeißt denn 240 Millionen für eine Mannschaft der dritten Fußballiga zum Fenster hinaus?« wundere ich mich.
    »Das ist keineswegs dusselig. Diese Gelder werden so am Finanzamt vorbeigeschmuggelt. Die geben zwar 240 Millionen aus, fahren aber den zwei- bis dreifachen Gewinn wieder ein, weil sie dadurch einige Steuerklassen tiefer rutschen und weniger Steuern zahlen. Soll ich Ihnen noch was Nettes erzählen? Das ist alles vollkommen legal, weil sie die Ausgaben als Werbekosten von der Steuer absetzen.«
    »Sagen Sie mal, junger Mann«, wendet er sich an den Buchhalter. »Wer ist denn Ihr Sponsor?«
    »Mir fällt der Name nicht auf Anhieb ein, aber es ist eine ausländische Firma.«
    »Ausländisch, hm? Griechenland ist für die Ausländer zum Land geworden, in dem Milch und Honig fließen. Bringen Sie mir doch mal den Kontoauszug.«
    Der Buchhalter geht und kramt nochmals in der Ablage. Er findet den Kontoauszug und überreicht ihn Kelessidis. Der liest ihn durch und wiehert plötzlich los. »Na bitte schön«, sagt er. »R. I. Hellas, ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut.«
    »R.I. Hellas?« stammle ich wie Gikas, wenn er meine Berichte für seinen großen Auftritt vor den Journalisten auswendig lernt.
    »Was hat ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut als Geldgeber in der dritten Liga verloren?«
    Ich sage nichts, weil mich gerade eine andere Frage in Atem hält: Wie kommt es dazu, daß ausgerechnet die Firma, in der Koustas’ Tochter arbeitet, den Fußballverein sponsert?
    »Wie haben Sie diesen Gönner gefunden?« frage ich Selemoglou.
    »Was weiß ich. Herr Koustas hat ihn aufgetrieben. Er kam eines Tages an und erklärte, er habe einen Geldgeber für die Mannschaft an der Hand, der uns monatlich zwanzig Millionen rüberschieben würde. Von diesem Tag an trudelten an jedem Monatsersten zwanzig Millionen auf dem Bankkonto ein, und wir verbuchten sie in unseren Geschäftsbüchern.«
    »Wie lange geht das schon so?«
    »Mittlerweile drei Jahre«, antwortet der Buchhalter.
    Kelessidis hat von den Geschäftsbüchern abgelassen und verfolgt gespannt unseren Wortwechsel. »Kelessidis, Sie sind ein Pfundskerl«, sage ich zu ihm und würde ihm am liebsten einen Kuß auf die Backe drücken.
    Er blickt mich verdutzt an. »Aber wieso denn?«
    »Weil Sie etwas ans Tageslicht gefördert haben, auf das ich ohne Sie niemals gestoßen wäre. Wir haben hier nichts mehr verloren.«
    Als ich aus Tritons Büro auf die Mitropoleos-Straße trete, rumoren zwei Dinge in meinem Kopf: eine Antwort und eine Frage. Die Antwort: Ich weiß nun, wohin die fünfzehn Millionen, die Koustas in seinem Wagen am Mordabend deponiert hatte, geflossen sind. Die Frage: Was hatte Koustas mit der Firma zu tun, bei der seine Tochter arbeitet? Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß die R. I. Hellas auf ihre Veranlassung hin jährlich 240 Millionen in einen Regionalligaverein butterte.

30
    D iesmal trägt Lambros Mantas keinen Mantel mit Goldknöpfen und auch keine Mütze mit Goldbordüre. Vielleicht weil es erst zehn Uhr morgens ist und zu früh für das offizielle Outfit eines Türstehers vor einem Nachtklub. Er hat seinen gewaltigen Brustkorb in ein T-Shirt gezwängt, auf dem ein Außerirdischer prunkt. Darüber hat er ein Lederjackett gezogen. Er sitzt am Kopfende des

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