Nachtgesang
dich und die deinen. Aber du hast gesehen, wie ich mit denen umgehe, die mir das, was mir zusteht, vorenthalten wollen. Jetzt sag mir ehrlich: Ist dies das Beste, was du mir zu bieten hast?‹
›Die Vadastras haben nie besseren Wein oder Schnaps gemacht.‹, antwortete mein Vater. ›Was das Essen angeht, so lässt sich kein besseres Fleisch durch Zucht oder Jagd hervorbringen, kein reinerer Honig, keine süßeren Früchte sammeln. Bei meinem Wort, mein Lord, das ist unser Bestes.‹
›Und wie steht es mit der Ausbeute an menschlichem Fleisch?‹ Malinari sah auf die in Umhänge gehüllten, angeketteten Gestalten. ›Sind diese auch das Beste, was du zu bieten hast, oder hältst du etwas zurück?‹
›Auch hier habe ich mein Bestes getan‹, antwortete Dinu ihm. ›aber sicher muss ich eine Reserve – an gutem Blut, gutem Fleisch zur Zucht – zurückhalten, damit die Vadastras nicht schwächeln und für Euch nutzlos werden.‹
Malinari nickte und sagte: ›So hast du immer gedacht, aye. Aber Dinu, pass auf, es kommen harte Zeiten auf uns zu und meine Bedürfnisse steigen. Siehst du diese dunkle Wolke, die über uns hängt, wie ein böses Omen? Was sagst du, Oberhaupt der Vadastras? Mir scheint sie nichts Gutes zu verheißen.‹
Als mein Vater zum Himmel sah, war dort tatsächlich eine dunkle, Schlechtwetter-Wolke, die er vorher noch nicht gesehen hatte. Sie schwebte langsam im nächtlichen Himmel über dem Vadastra-Territorium und in ihrer sich windenden Masse, in der schweren Luft reitend, schienen sich dunklere Gestalten zu verbergen.
Dinus Stimme klang unsicher, ängstlich und zögernd, als er sich erkundigte: ›W-w-was bedeutet das, mein Lord?‹
Der ›kultivierte‹ Umgangston des Hirns war jetzt sehr tief und bedrohlich und seine scharlachroten Augen waren noch mehr entflammt, als er antwortete: ›Es bedeutet, dass trotz unserer – was, Freundschaft? – und trotz der Tatsache, dass du ein ehrlicher und aufrichtiger Mann warst ...‹
An dieser Stelle entstand eine kleine Unruhe: Eine aufgebrachte Gestalt erschien am Rande der Versammlung und sprach: ›Was? Ein ehrlicher und aufrichtiger Mann, dieser Dinu Vadastra? Dieses sogenannte Oberhaupt? Dieses große Oberhaupt? Ach was, wartet einen Moment, mein Herr, und Ihr werdet sehen, dass Ihr unrecht habt!‹ Die schrille Stimme gehörte einer Frau.
Nadia, die sich im Wohnwagen meines Vaters dicht an mich gekuschelt hatte, erschrak, keuchte und bedeckte ihren Mund mit der Hand, denn sie hatte die Stimme erkannt: die ihrer Mutter, Melana Zetra, die jetzt aus ihrem Versteck geeilt kam.
›Was ist das?‹ erkundigte sich Malinari stirnrunzelnd. ›Jemand wagt es, seine Stimme zu erheben, zu stören und Nephran Malinari zu befehlen zu warten?‹
Einen Moment lang war Dinu Vadastra wie betäubt, genau wie der Rest des Clans, einschließlich Nadia und mir. Aber als Melana herbeigeeilt kam, ihr Haar zerzaust und ihr Gesicht eingefallen vor Angst – dem Schrecken dessen, was sie vorhatte – bemerkten wir, dass sie eine Opferrobe trug. Sie opferte sich Malinari und seinen Schergen aus eigenem, freien Willen! Ah, aber sie opferte viel mehr als nur sich selbst.
›Was?‹, fragte Malinari erneut, von Erstaunen ergriffen, als sie sich vor ihm auf den Boden warf und sich in die Erde zu seinen Füßen krallte. ›Ist sie verrückt, dass sie die Überreichung der Abgaben unterbricht?‹
›Verrückt vor Trauer!‹, schrie Melana und riss an ihrem Haar, warf ihre Robe weg und kniete nackt vor ihm. ›Verrückt vor Wut und Empörung. Man hat mich betrogen und misshandelt. Genau wie meine Leute und sogar Euch, mein Herr, betrogen! Alle wurden betrogen – von diesem Mann!‹ Sie deutete mit zitternden Fingern auf Dinu.
Es war der Anfang vom Ende. Jeder Beobachter hätte fälschlicherweise denken können, dass Dinu selbst Wamphyri war – die Art, wie seine Augen tellergroß aus seinem Gesicht hervortraten und wie er seine Zähne bleckte –, als er sich auf Melana stürzte und sie überwältigte. Sein Messer hob sich bedrohlich ... bis Malinari es ihm wegnahm, es wegwarf, Dinu am Genick packte und ihn aufrecht hinstellte.
›Sprich!‹, befahl er Nadias Mutter. ›Auf welche Weise hat man mich betrogen? Oh, sei dir gewiss, dass ich es auf meine Art herausfinden kann, aber der Prozess ist schädlich und euer Oberhaupt könnte ganz leicht den Verstand dabei verlieren. Außerdem möchte ich, dass er selbst zuhört, was ihm letzten Endes sogar noch größeren
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