Nachtgesang
meinem armen, schmerzenden Kopf, der auf meinen Schultern hin- und herrollte, sah ich, wie die seltsame dunkle, Unheil verkündende Wolke auf die Lichtung zuschwebte und wie der Nebel sich ein weiteres Mal über dem Boden sammelte.
Und mein Vater:
Man kann nicht behaupten, dass er ein guter Mensch war, aber als er unter der Fußsohle eines stämmigen Leutnants lag ... wer kann sagen, was für Gedanken ihm durch den Kopf gingen? Eins ist sicher: Er wusste, dass Malinari ein hervorragender Lügner und seine Gedankenbilder ein Trugbild waren. Er wusste ebenso, dass er erledigt war; oder in Malinaris eigenen Worten, dass das ›verhasste Oberhaupt‹ des Vadastra-Clans ›vernichtet war‹. Was hatte er also zu verlieren? Zumindest konnte er ein schnelles Ende herbeiführen.
Dinu befreite sich von dem Leutnant, sprang hoch, deutete auf die drohende Wolke und schrie: ›Er bringt seine Kriegskreaturen! Sie werden sich von oben auf euch niederstürzen! Er zerstört den ganzen Vadastra-Clan! Rennt um euer Leben! Rennt!‹
Zu spät, denn wieder benutzte Malinari seinen Mentalismus und jetzt verrieten seine Bilder die Wahrheit:
Krieger, die in der Schleierwolke schwebten, in der Luft gehalten von ihren prallgefüllten Gasblasen, ausgebreiteten Schwingen und den spiralförmigen Aufwinden aus den nächtlichen Wäldern der Sonnseite. Sie leiteten das Gas in ihre Stoßdüsen, legten die Flügel an und versprühten ihre giftigen Dämpfe über der Lichtung am Waldrand. An ihrer Seite flog ein Schwarm Manta-Flieger, der ihre Luftformation zusammenhielt. Auf den Flugkreaturen ritten eifrige Knechte, allesamt mit Kampfhandschuhen bewaffnet. Ihre Absicht war offensichtlich!
Tribut? Ha! Was für eine Untertreibung. Es gab noch nie einen solchen Tribut in der ganzen Geschichte der Sonnseite. Eine Abgabe? Malinari war gekommen, um den größten Tribut überhaupt einzufordern: einen ganzen Clan!
Die Menschen flohen. Sie husteten, würgten und kämpften mit der von den giftigen Dämpfen der Krieger Malinaris verursachten Übelkeit. Sie versuchten, in den Wald zu fliehen, ... aber wieder war es zu spät. Die Nacht war jetzt ein größerer Albtraum denn je. Nahe der Lichtung stürzten grässliche Bestien auf die Wohnwagen und einfachen Behausungen nieder und machten sie mit ihrem schieren Gewicht dem Erdboden gleich. Vampirknechte ließen sich an Seilen von den Flugkreaturen hinunter. Die Menschen waren umzingelt. Es gab kein Entkommen!
Währenddessen schallte das Gelächter des dämonischen Lords durch die Nacht. Mein Vater war jetzt auf Knien, rang die Hände und fragte: ›Aber warum, Herr, warum? Sagt mir, dass dies nicht meine Schuld ist.‹
Lord Malinari hörte ihn über das Donnern der wütenden Krieger, das Gebrüll der lüsternen Leutnants und Knechte und die Schreie der dem Untergang geweihten Menschen. Er schlug seinen Umhang zurück, löste seinen Kampfhandschuh vom Gürtel, streifte ihn sich über die Hand und antwortete: ›Deine Schuld? Deine, Dinu? Denkst du wirklich, dass etwas, was du tun könntest, auf der Welt auch nur einen Moment von Bedeutung wäre? Weil du böse warst, meinst du das? Nein, du Narr, nichts ist deine Schuld! Nie gab es auf der ganzen Sonnseite – von hier bis hinein in die Wüste – einen Lehnsmann als Clanchef, der kein enormer Lügner und Betrüger war! Es liegt dir genauso in im Blut wie mir auch.‹
›Aber Herr, wenn Ihr mich nicht bestraft, warum tut Ihr dies dann? Zu welchem Zweck ...?‹ Dinus Mund stand offen; seine Augen waren aufgerissen und sein Blick zeigte, dass er es wirklich zu verstehen versuchte.
›Ich brauche Vorräte‹, erklärte ihm Malinari. › Große Vorräte! Meine Stätte ist eine Festung, in der es sich in Friedenszeiten gut leben lässt. Aber bald wird der Friede ein Ende haben. Ich stelle eine Armee auf, Dinu, und meine Bedürfnisse sind groß. Denn auf der Sternseite zeichnet sich eine Blutfehde ab und Blutkriege basieren auf Blut. In diesem Fall auf dem euren!‹
Mit diesen Worten bewegte er seine Hand so lange im Handschuh, bis all dessen Haken und Klingen herausstanden, und schrie seinen Männern und Ungeheuern zu: ›Lasst die Jungen und Gesunden, so gut ihr könnt, am Leben. Die Kinder, die Menschen mittleren Alters und die Tattergreise sind Futter.‹ Dann fuhr er an meinen Vater gewandt fort:
›Und du, Dinu ... tja, du bist mittleren Alters.‹
Im rauchigen Feuerschein sauste der glänzende Kampfhandschuh herab und schimmerte rot – triefte rot
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