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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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pulsierten vor Tatendrang.
    Bewusst langsam zog er die Luft tief ein … und musste sich jäh, beinahe wie elektrisiert, aufsetzen.
    In seiner Hand hielt er ein Einstecktuch. Cremefarben an jenen Stellen, die nicht mit dem nassen Pflasterstein in Berührung gekommen oder von dunkelroten, fast braunen Schlieren
befleckt waren. In einer Ecke zeigten sich die Initialen LS, in Blau gestickt. Was ihn allerdings wirklich an diesem kleinen Stoffeck faszinierte, war der überwältigende Geruch, der von ihm ausging. Unmöglich, dachte er, während er das seidene Rechteck zwischen seinen Fingern spannte. Nichts auf der Welt kann derartig intensiv und vielschichtig riechen.
    Und doch verriet ihm der Stoff lauter Geheimnisse über seinen Besitzer, denn das Tuch gehörte zweifelsfrei jemand anderem - das war das Erste, was ihm sein Geruchssinn zutrug. Das Blut, das die dunklen, klebrigen Spuren hinterlassen hatte, war nicht sein eigenes. Genauso wenig wie das Blut, mit dem seine Weste und sein Hemd an der Brust durchtränkt waren. Als habe er zu gierig getrunken … Angewidert verdrängte er dieses Bild und konzentrierte sich auf das, was seine Sinne ihm zuflüsterten. Es war eindeutig ein männlicher Geruch, eine Mischung aus feuchtem Stoff und einem nach Leder riechenden Aftershave.Außerdem nahm er frischen Schweiß wahr, der ganz unvermittelt hervorgebrochen war, als hätte der Besitzer eine enorme Anstrengung unternommen. Wer immer dieses Tuch verloren hat, er war erregt gewesen … in so mancherlei Hinsicht.
    Dieser Gedanke war verwirrend, aber bevor er ihm nachgehen konnte, bemerkte er noch eine andere, kaum vorhandene, fast verborgene Spur. Etwas, das wie frisch geriebener Muskat in der Nase brannte, sich ansonsten allerdings jeden Vergleich verbot. Ein fremder Geruch, den es auf dieser Welt nicht geben sollte. Trotzdem erkannte er den Geruch wieder. Denn seine Haut verströmte ihn ebenfalls, wenn auch in einer anders gefärbten Note.
    Obwohl seine Beine nicht im Geringsten zitterten, richtete er sich langsam auf, da er der pulsierenden Kraft in seinen Gliedern nicht über den Weg traute. In den Händen hielt er das blutbesudelte Tuch, das für ihn wie ein aufgeschlagenes Buch war, eng bedruckt mit allen möglichen Informationen. Unablässig
raunte der in der Seide gefangene Duft ihm Hinweise zu, so auch über die Geschehnisse, die sich in der schmalen Seitengasse abgespielt hatten. Nur wollte es ihm einfach nicht gelingen, all das in einen Zusammenhang zu stellen. Wie auch? Er begriff ja kaum, wie ihm geschah.
    Mit einem Mal schlugen seine überempfindlichen Sinne an und wischten jeden Gedanken beiseite: Eine Spur des Mannes, dem das Einstecktuch gehörte, lag noch in der Luft. Allerdings wurde sie mit jeder Sekunde schwächer. Er musste sich beeilen, ihr zu folgen, damit sie ihn zu demjenigen führte, der ihn bewusstlos in dieser Gasse zurückgelassen hatte. Nur mit Mühe beherrschte er den Drang, loszustürmen. Denn wer sagte eigentlich, dass er wie ein Tier einer Spur nachjagen wollte, um am Ende einem Mann gegenüberzustehen, mit dessen Blut er beschmiert war?
    Weil er dir etwas über das erzählen kann, was du jetzt bist.
    Diese Stimme war also immer noch da.
    »Ich brauche niemanden, der mir etwas über mich erzählt«, erwiderte er flüsternd, während er das Tuch in seiner Manteltasche verschwinden ließ. Leider ließ sich das Verlangen, der Fährte hinterherzujagen, nicht genauso einfach verstecken. »Ich brauche niemanden.«
    Vollkommen unvermittelt bohrte sich ein tiefer Schmerz in seinen Leib. Ein Stöhnen unterdrückend, taumelte er gegen die dreckige Häuserwand, die Arme schützend um den Körper geschlungen. Doch gegen diese Pein, die aus seinem Inneren heraus entstanden war, konnte er nichts ausrichten.
    Langsam, viel zu langsam ließ der Aufruhr in seinem Inneren wieder nach.
    Wenn du niemanden brauchst, der dir erklärt, wer du bist - wer bist du dann?
    »Adam …« Die Antwort klang zögerlich und verriet, dass er sich da keineswegs sicher war. Doch es musste sein Name sein,
weil es das Einzige war, was ihm geblieben war. Das Einzige, woran er sich erinnerte.
    Ich habe dir den Namen gegeben und dich gerufen, denn du gehörst mir.
    »Ich bin kein Hund, dem man einen Namen gibt, damit er auf einen hört.«
    Ach nein? Dann verrat doch endlich einmal, wer du bist.
    »Niemand, der dir gehört«, sagte Adam leise, und es klang wie ein Versprechen. Nicht einmal das höhnische Lachen der Stimme vermochte es

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